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Lohmeyer, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1927/28, 4. Abhandlung): Kyrios Jesus: eine Untersuchung zu Phil. 2,5-11 — Heidelberg, 1928

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https://doi.org/10.11588/diglit.38938#0080
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80

Ernst Lohmeyer:

bräerbriefes prägt, die Folge ans einer religiösen Menschensohn-
betrachtung.
Völlig fremd scheint indessen dem Gedankenkreise unseres
Psalmes das Bild des Hohenpriesters Christus zu bleiben, der sein
eigenes Blut im himmlischen Heiligtum als Opfer „für die Sünden
des Volkes“ darbringt. Gewiß ist dieses Bild von einer Fülle eigen-
tümlicher Züge getragen. Es ist bestimmt durch eine bezeichnende
Ideologie von der Bedeutung des Kultus, durch eine Tradition von
dem Gesalbten als dem wahren Hohenpriester, die im Judentum
an einigen bekannten Stellen dunkel aufleuchtet1. Aber, sie genügen
nicht, um dieses Bild völlig durchsichtig zu machen; erst ihre Ver-
bindung mit dem Gedankengefüge unseres Psalmes gibt die deut-
lichen Grundzüge, dem jene anderen Linien sich harmonisch ver-
binden.
Es ist oft aufgefallen, daß der Hebräerbrief von der Aufer-
stehung Christi nicht spricht, sondern unmittelbar Tod und Eintritt
in das himmlische Heiligtum verknüpft ; er tut es in der gleichen
Weise wie auch der Philipperpsalm es tut. Während aber dort
Tod und Erhöhung durch das Wunder der göttlichen Tat mitein-
ander verbunden sind, bahnt sich hier der Hohepriester aus eigener
Macht den Weg zurück in seine himmlische Heimat. Die gleiche
Fortbildung liegt hier vor, wie sie in johanneischen Schriften durch
den Logosgedanken vollzogen ist; als Tat einer durch alle Ver-
wandlungen beharrenden Gestalt ist begriffen, was einst nur als
das solche Erhöhung allein ermöglichende Wunder Gottes erschien.
In ähnlicher Weise haben auch die kerygmatischen Formeln des
1. Petrusbriefes davon sprechen können, daß er „zum Himmel
ging“. Freilich fehlen hier noch alle priesterlichen Züge; aber ihre
Bedingungen sind ebenso in unserem Psalm gesetzt. Denn in ihm
ist zuerst der Gang der göttlichen Gestalt zur Erde und weiter in
den Tod als „Selbstentäußerung und Selbsterniedrigung“ begriffen
worden. Beide Worte umschreiben sachlich nichts anderes als den
Gedanken des Opfers; als Menschensohn leben und sterben be-
deutet also nichts anderes denn dieses Sich-opfern und in solchem
Opfer Sich-bewahren. Nun ist die Notwendigkeit dieses Opfers
in dem Menschensohnlied letztlich in einer dualistischen Metaphysik
begründet, die Gott und Menschen in einem nur von Gott aus zu
überwindenden Gegensätze weiß. Die gleiche Metaphysik liegt auch
hier vor, aber verknüpft mit den Begriffen von Sünde und Kultus
1 Vg]. H. Windisch in seinem Kommentar, Exk. zu 8, 2.
 
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