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Thomas; Heller, Emmy [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 4. Abhandlung): Die Ars dictandi des Thomas von Capua: kritisch erläuterte Edition — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39952#0047
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Die Ars dictandi des Thomas von Capua.

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Auf ihren theoretischen Gehalt hin angesehen, steht unsere
ars am Ende einer Entwicklung und hietet keine originalen Neue-
rungen. Sie gibt im wesentlichen ein Abbild der Briefstiltheorie,
wie sie sich seit den grundlegenden Arbeiten Alberichs von Monte
Cassino allmählich ausgebildet hatte, und in der Fassung der
Rationes dictandi mit ihrer übersichtlichen Fixierung der fünf
Briefteile und der brauchbaren Definition der Grundbegriffe
zu einem gewissen, für die Folge wirkungsreichen Abschluß gelangt
war. An diese etwa 1135 entstandenen Rationes* * * * * 6 lehnen sich viele
der späteren Werke unserer Gattung mehr oder minder schema-
tisch an, und auch unsere ars entspricht ihnen im wesentlichen in
Aufbau und Fehrgehalt7. Was seitdem an neuen Regelsetzungen
und Schulmeinungen zu tage gefördert worden war, findet keinen
Niederschlag in ihr; weder — und das muß immerhin wunderneh-
men bei der ausdrücklich betonten Einstellung gerade auf die
kuriale Tradition — die in den achtziger Jahren des 12. Jahrhun-
bindungslinien: die Tradition von Orleans fußt selbst stark auf den italieni-
schen Theorien und erweist sich noch lange nach allen Seiten hin wirksam.
Über Berührungspunkte zwischen unserer ars und der auf französischem Boden
entstandenen Summa Transmunds vgl. Exkurs. Vier Briefe aus der Sammlung'
Peters v. Blois hat Thomas in seinen Bestand übernommen, ohne daß die
artes Ähnlichkeiten zeigen. — Die auf der Grenze von Italien und Frankreich
nach 1252 entstandene Grammatik des Magister Caesar fußt stellenweise stark
auf der Arbeit von Ponce le Provemjal, der Professor in Orleans war, ver-
rät aber in der Diktamenlehre auch Anklänge an unsere ars, z. B. Abschn. 3
und 24. — Über die Pflege der ars dictandi in England ist bisher wenig-
bekannt.
6 Über die zeitliche Fixierung der Rationes dictandi vgl. Bressl.au
S. 25If., über ihre Bedeutung innerhalb der älteren Brieftheorie Bütow
passim, zusammengefaßt S. 73.
7 Mit Ausnahme der Absatz 28 gegebenen Belehrung über die kon-
junktionale Verknüpfung der Briefteile enthält unsere ars keinen Abschnitt,
der nicht auch in den Rationes steht: hier wie dort gehen zwei Proemien
voran, dann folgen die Definition und Einteilung des dictamen, der epistola,
Definition und Erörterung der einzelnen Briefteile, Regeln für die möglichen
Verkürzungen, Erläuterung der Interpunktion. Es fehlen bei uns die Lehre von
der commutatio partium (Kap. XI), sowie die grammatischen und stilistischen
Darlegungen (Kap. XIII), mit denen der erste Teil der Rationes schließt; der
zweite scheint keine Beziehungen zu unserer ars zu haben. — Lehrmäßig
sind die Dreiteilung des dictamen und die Fünfteilung des Briefes, die beide
erstmals von den Rationes dictandi festgesetzt wurden, von unserer Einleitung
übernommen; ebenso entsprechen sich inhaltlich die Abschnitte über die
diminutio und die distinctiones. Von Definitionen zeigen die für exordium
und narratio, Abschnitt 21 und 22, wörtliche Anklänge.
 
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