Die Ars dictandi des Thomas von Capua.
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von Bologna, wo er, soweit die biographischen Daten erkennen
lassen, im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts seinen Studien
oblag, während sein sehr viel genialerer Zeitgenosse Boncompagnus,
mit dem er später rivalisierte, bereits als Lehrer tätig war. 1210
wird Faba als Magister genannt* 11.
Das ist aber der Zeitpunkt, an dem auch Thomas von Capua in
Vicenza, der erst vor kurzem von der Bologneser Hochschule abge-
zweigten Universität, weilte12, und es fragt sich nun, ob und inwie-
weit die zeitlichen und lokalen Merkmale der ars auf eine Ent-
stehung in diesem Rahmen hindeuten.
Von den fünf Musterbriefen unserer Einleitung13, für deren
fiktiven Charakter wohl kein Beweis notwendig ist, bieten nur die
drei ersten chronologische und inhaltliche Anhaltspunkte. So hat
das große, die eigentliche Brieftheorie abschließende, gemeinsame
Schreiben der Könige von Frankreich und England14, samt ihrer
jeweiligen geistlichen und weltlichen Aristokratie — an sich schon
eine unmögliche Zusammenstellung — den seit 1198 wütenden deut-
Heroides 1 vgi. Cartellieri, Donauesch. Briefst. S. 14 Nr. 62), noch er-
scheinen die Grußmuster, unter denen die für die akademischen Kreise be-
sonders zahlreich sind, auf den Auswahllisten der früheren Werke. Bei der
Lehrformulierung zeigen sich neben belanglosen oder von Cicero gemeinsam
beeinflußten Fassungen doch auch charakteristische Ähnlichkeiten, wie in der
Erklärung für die Titularunterschiede der Kardinale, Abschn. 15, wo die Be-
merkung G. Fabas ,,ut in curia intellexi“ Beachtung verdient, denn danach
könnte der Diktator, der also vermutlich vor der Fertigstellung seiner Summa
•— 1228 ca. — in Rom war, rein zeitlich genommen, wie wir noch sehen werden,
unsere ars an der Kurie in der ITand gehabt haben. Aber weder bezieht sich diese
Bemerkung auf mehr als die eine Information über die Kardinalstitulierung,
noch machen die Übereinstimmungen an dieser und den übrigen Stellen den
Eindruck einer direkten Entnahme, so daß, da sie sich durchweg im Zusam-
menhang mit der elementaren Lehrdarstellung finden, wohl am ehesten an
den Einfluß einer gemeinsamen Unterrichtstradition zu denken ist, die auf
die Verfasser beider artes wirkte.
11 Gaudenzi S. 119.
12 Vgl. über die Gründung der Universität Vicenza Denifle, Universitä-
ten des M. A. S. 298/99, Savigny, Gesch. d. röm. Rechts (1834) 3, 21. § 115.
Ich werde an anderer Stelle über Thomas’ Studienaufenthalt dort berichten,
der mit der Dauer des studium generale in Vicenza 1204—69 zusammenfällt.
In der von Denifle citierten Urkunde, Mittarelli, Annal. Camald. IV, Text
S. 213, erscheint Thomas „canonicus Capuanus“ als Syndicus bei einer Rechts-
handlung; bald danach wird er den Magistertitel erworben haben.
13 Je eines in Abschnitt 25, 26, 27, 28, 30.
14 Abschnitt 25.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 4. Abh.
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von Bologna, wo er, soweit die biographischen Daten erkennen
lassen, im ersten Jahrzehnt des 13. Jahrhunderts seinen Studien
oblag, während sein sehr viel genialerer Zeitgenosse Boncompagnus,
mit dem er später rivalisierte, bereits als Lehrer tätig war. 1210
wird Faba als Magister genannt* 11.
Das ist aber der Zeitpunkt, an dem auch Thomas von Capua in
Vicenza, der erst vor kurzem von der Bologneser Hochschule abge-
zweigten Universität, weilte12, und es fragt sich nun, ob und inwie-
weit die zeitlichen und lokalen Merkmale der ars auf eine Ent-
stehung in diesem Rahmen hindeuten.
Von den fünf Musterbriefen unserer Einleitung13, für deren
fiktiven Charakter wohl kein Beweis notwendig ist, bieten nur die
drei ersten chronologische und inhaltliche Anhaltspunkte. So hat
das große, die eigentliche Brieftheorie abschließende, gemeinsame
Schreiben der Könige von Frankreich und England14, samt ihrer
jeweiligen geistlichen und weltlichen Aristokratie — an sich schon
eine unmögliche Zusammenstellung — den seit 1198 wütenden deut-
Heroides 1 vgi. Cartellieri, Donauesch. Briefst. S. 14 Nr. 62), noch er-
scheinen die Grußmuster, unter denen die für die akademischen Kreise be-
sonders zahlreich sind, auf den Auswahllisten der früheren Werke. Bei der
Lehrformulierung zeigen sich neben belanglosen oder von Cicero gemeinsam
beeinflußten Fassungen doch auch charakteristische Ähnlichkeiten, wie in der
Erklärung für die Titularunterschiede der Kardinale, Abschn. 15, wo die Be-
merkung G. Fabas ,,ut in curia intellexi“ Beachtung verdient, denn danach
könnte der Diktator, der also vermutlich vor der Fertigstellung seiner Summa
•— 1228 ca. — in Rom war, rein zeitlich genommen, wie wir noch sehen werden,
unsere ars an der Kurie in der ITand gehabt haben. Aber weder bezieht sich diese
Bemerkung auf mehr als die eine Information über die Kardinalstitulierung,
noch machen die Übereinstimmungen an dieser und den übrigen Stellen den
Eindruck einer direkten Entnahme, so daß, da sie sich durchweg im Zusam-
menhang mit der elementaren Lehrdarstellung finden, wohl am ehesten an
den Einfluß einer gemeinsamen Unterrichtstradition zu denken ist, die auf
die Verfasser beider artes wirkte.
11 Gaudenzi S. 119.
12 Vgl. über die Gründung der Universität Vicenza Denifle, Universitä-
ten des M. A. S. 298/99, Savigny, Gesch. d. röm. Rechts (1834) 3, 21. § 115.
Ich werde an anderer Stelle über Thomas’ Studienaufenthalt dort berichten,
der mit der Dauer des studium generale in Vicenza 1204—69 zusammenfällt.
In der von Denifle citierten Urkunde, Mittarelli, Annal. Camald. IV, Text
S. 213, erscheint Thomas „canonicus Capuanus“ als Syndicus bei einer Rechts-
handlung; bald danach wird er den Magistertitel erworben haben.
13 Je eines in Abschnitt 25, 26, 27, 28, 30.
14 Abschnitt 25.
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1928/29. 4. Abh.
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