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Klibansky, Raymond; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 5. Abhandlung): Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39953#0018
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18

Raymond Klibansky:

das Zeugnis desPROKLOS durch den Nachweis einer Spaltung inner-
halb der PROKLOS-Überlieferung problematisch; erst die neue Text-
beurteilung des PROKLOS-Kommentars wird für die Herstellung des
Platonischen Textes fruchtbare Ergebnisse ermöglichen.
3. Für das PLATON-Bild des Mittelalters.
Soll mit dem Begriff Platonischen Philosophierens etwas vom
Standpunkt philosophischer Systematik aus Kennzeichnendes ge-
sagt sein, so ist es, wie E. Hoffmanns Schrift über 'Platonismus
und Mittelalter’* 1 gezeigt hat, im Interesse der Strenge philosophie-
geschichtlicher Begriffsbildung nicht erlaubt, von 'mittelalterlichem
Platonismus’ zu sprechen. Wenn es ein Ergebnis der Hoffmann-
schen Arbeit ist, daß die wesensmäßige Differenz zwischen der
Grundstruktur antik-Platonischer und mittelalterlich-christlicher,
-arabischer oder -jüdischer Denkweise schärfer als bisher beachtet
werden muß, so erwächst nunmehr aus dieser Erkenntnis der
strukturalen Verschiedenheit die weitere Aufgabe, die hier nur
angedeutet sein möge: das positive PLATON-Bild des Mittelalters
in festen Umrissen wiederzugeben und in der Eigentümlichkeit
seiner Voraussetzungen zu begreifen. Welcher Platon ist es, den
Scotus Eriugena preist ? Welcher Platon, auf den sich Arae-
lard beruft und den die Schule von Chartres als den größten
unter den früheren Philosophen feiert ? Welchen Platon kennen
die Viktoriner des XII. und die Franziskanerschulen des XIII. Jahr-
hunderts ? Von welchem Platon sprechen Albert und Thomas,
von welchem die Mystik der deutschen Dominikaner, von welchem
Dante und Petrarca ? Welche Züge bestimmen seine Gestalt
in der Gedankenwelt des Cusanus, in welchem Licht sieht ihn
die beginnende italienische Renaissance ?
Die charakteristische Verschiedenheit der Färbung, in der bei
aller Gemeinsamkeit das Bild im Lauf der Entwicklung erscheint,
erweist sich stets als Ergebnis zweier wirkender Kräfte: der Eigen-
art der zu Platon in Beziehung tretenden Individualität und der
literarischen Überlieferung, in der ihr Platon entgegentritt.
Zu einem welch geringen Teil diese Überlieferung auf den
(Platon II 226) gerügte Fehlen von άν ist nicht aus Proklos zu rechtfertigen;
wie einige griech. Hss. so gibt auch die lateinische Übersetzung „utique“
äv wieder.
1 Vorträge der Bibliothek Warburg 1923—24, Leipzig 1926, pag. 17—82.
 
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