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Klibansky, Raymond; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1928/29, 5. Abhandlung): Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39953#0019
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Ein Proklos-Fund und seine Bedeutung. 19
Platonischen Schriften selbst beruhte, ist bekannt: das frühe Mittel-
alter kennt nur die von Chalcidius übersetzte und erläuterte
erste Hälfte des Timaios, sowie die noch weniger umfassende
Übersetzung, die Cicero von dem gleichen Werke gibt; dazu treten
nach der Mitte des XII. Jahrhunderts die beiden Dialoge Menon
und Phaidon in der Übersetzung1 des Archidiakons Henricus
Aristippus von San Severino, Ministers am sizilischen Normannen-
hofe Wilhelms I. Weitere lateinische Übersetzungen Platonischer
Werke sind bis zur Zeit des Lionardo Bruni, Candido Decembrio
und der anderen Humanisten nicht nachzuweisen; griechische
PLATON-Handschriften, wenn es deren vor den ersten Jahrzehnten
des XV. Jahrhunderts außer der Vorlage des sizilischen Über-
setzers und dem 16 Dialoge umfassenden Exemplar des Petrarca
im Abendlande überhaupt gab, wurden nicht beachtet, oder — wie
Petrarcas lebhafte Klage zeigt2 — nicht verstanden.
Die lateinische Übersetzung des Parmenides-Kommentars lehrt
nun, daß seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts außer jenen drei
Dialogen auch der Parmenides — dessen Text in den Hand-
schriften ja deutlich von dem Kommentar des Proklos abgehoben
war — bis zum Schluß der ersten Hypothesis bekannt sein konnte3.
Allein durch die Art, in der der Platonische Text hier in den umfang-
reichen Kommentar eingelagert ist, erscheint dies Werk zugleich
zu jener anderen, ungleich reicher vertretenen und an Bedeutung
hervorragenden Form mittelalterlicher PLATON-Überlieferung ge-
hörig, der indirekten. Während nun die indirekte Überlieferung
des früheren Mittelalters sich vornehmlich aus den lateinischen
Autoren, heidnischen und frühchristlichen, speiste (Cicero, Apu-
leius, Macrobius, Claudianus Mamertus, Boethius u. a., vor
allem naturgemäß aus Augustin), während gegen Ende des XII.
Jahrhunderts manches biographische Detail durch die Übersetzung
des Diogenes Laertius vermittelt wurde und im XIII. Jahrhun-
dert die Bekanntschaft mit der Metaphysik und den anderen neu
übersetzten Schriften Platon nun auch durch die Perspektive der
Aristotelischen Polemik sehen ließ, wird es von großer Bedeutung,
daß noch im Laufe des gleichen Jahrhunderts Platon in der Bre-
1 Entstanden zwischen 1156 und 1162.
2 De sui ipsius et multorum ignorantia, Opera ed. Basil. 1554, p. 1162.
3 Vgl. den von Birkenmajer, Xenia Thomistica III, Rom 1925, pag. 63,
angeführten Hinweis aus dem Speculum divinorum et quorundam naturalium,
lib. XI. cap. 12, des Henricus Bäte von Hecheln; siehe Beilage I, Seite 31.

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