Metadaten

Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 1. Abhandlung): Studien zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jahrhunderts, 1: Eine unbekannte Schrift Dietrichs v. Niem über die Berufung der Generalkonzilien (1413/1414) — Heidelberg, 1929

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.39954#0020
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
12

Hermann Heimpel:

Das Abweichen von dem Grundsatz, daß allein der Papst ein
Konzil berufen könne, ist im Schisma von Anfang an und all-
gemein begründet worden als ein durch die Not der Lage gerecht-
fertigtes Abgehen vom zunächst unbestritten geltenden Recht, wie
ja die Anhänger des Konzils dem Buchstaben der Gesetze
deren Geist, der wörtlichen Auslegung die ,,Epikie“, die den Um-
ständen gerecht werdende Interpretation, entgegengesetzt haben.
Aber auch diejenigen, die das Konzil gegen den Willen der strei-
tenden Päpste in Bewegung setzen wollten, haben sich mit dem
„Necessitas frangit legem“ nicht begnügt, sondern sich bemüht,
möglichst nahe am geltenden Recht zu bleiben1, dazu allein schon
gedrängt durch die Polemik mit der Gegenpartei, die sich, ihrer
Lage gemäß, immer wieder auf das strenge Recht zurückzog. So-
weit man die Unionsfrage auf dem Wege des Generalkonzils zu
lösen bereit war ■— und das waren zu Zeiten alle Parteien —, hatten
diejenigen, die das Konzil gegen den Willen der Prätendenten
veranstaltet haben wollten, in der Frage der Konzilsberufung eine
negative und eine positive Aufgabe: Negativ nachzuweisen, daß
die Prätendenten von der Berufung ausgeschlossen werden könnten.
Schon hier gab es grundsätzlich zwei Möglichkeiten: Man konnte
aus der allgemeinen Unsicherheit darüber, wer der wahre Papst
sei, ableiten, es existiere, da kein sicher zu bestimmender, über-
haupt kein Papst; das Schisma ist praktisch gleich der Sedis-
vakanz und es ist an das geltende Recht nur die Frage zu stellen,,
wer in diesem Falle das Konzil zu berufen habe2. Die zweite Mög-
lichkeit war revolutionärer: Man suchte nachzuweisen, daß das
Konzil gegen den Willen auch des wahren Papstes einberufen
werden könne; hier argumentierte man mit der Not des Schismas
und dem mangelnden Willen der Päpste, es ohne oder mit Konzil
zu beenden oder, wenn man aufs Recht ging, so nahm man als
Basis die Behauptung, daß der Papst von der Gesamtkirche ge-
1 Man beachte nur die Vorsicht auch eines so entschiedenen Konzili-
aristen wie Konrad von Gelnhausen, Ep. Concordiae, Ausgabe von Bliemetz-
rieder, Literarische Polemik zu Beginn des Gr. abendl. Schismas (1910),
111 ff., 136: Der Satz vom alleinigen Berufungsrecht des Papstes gilt, wenn
der Papst zwar nicht berufen will, aber auch keine objektive Notwendigkeit
für ein Konzil vorliegt, oder er nicht ordnungsgemäß um die Abhaltung einer
Synode angegangen wird. Erst dann folgen die Fälle der papstlosen Berufung:
Wille der Inferiores ecclesiae bei objektiver Notwendigkeit oder Nichtexistenz
(Tod oder Schisma) des Papstes.
2 Über die Gleichsetzung von Schisma und Sedisvakanz siehe die vorige
Anmerkung; andere Beispiele folgen weiter unten.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften