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Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heimpel, Hermann [Hrsg.]; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1929/30, 1. Abhandlung): Studien zur Kirchen- und Reichsreform des 15. Jahrhunderts, 1: Eine unbekannte Schrift Dietrichs v. Niem über die Berufung der Generalkonzilien (1413/1414) — Heidelberg, 1929

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https://doi.org/10.11588/diglit.39954#0024
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16

Hermann Heimpel:

stand; andererseits ist die Begründung, die Zabarella der kaiser-
lichen Berufung gegeben hat, erheblich revolutionärer als die
Gesichtspunkte der Kardinale in Pisa1. Die Traktate sind eben
politische Streitschriften, keine Systeme mit wissenschaftlichem
Zwecke, und für das Urteil über die grundsätzliche Bedeutung
dienen nicht so die Vorschläge selbst als ihre einzelnen Begrün-
dungen. Unter den Anhängern des von den Kardinälen berufenen
Generalkonzils2 war der konservativste ein Ende 1408 schreibender
Anonymus3: die Kardinäle haben die nötige Jurisdiktion, weil
diese bei Defectus des Papstes und der Kardinäle auf den römischen
Klerus übergehen könnte: wie viel mehr auf das Kardinalskolleg,
das dem Papste doch näher steht4. Also nicht einmal der der Zeit
sonst ganz geläufige Gedanke, daß die Kardinäle als Vertreter der
Gesamtkirche handeln (so oft dann auch der Übergang der päpst-
lichen Jurisdiktion auf sie für die Konzilsberufung wieder positiv-
rechtlich aus ihrer nahen Verbindung mit dem Papst erklärt wird),
ist hier durchgeführt5. Im allgemeinen demonstrierte man nun
einfach einen Übergang der päpstlichen Jurisdiktion auf die Kar-
dinäle; so behauptet der Bologneser Matthaeus de Matesillanis
(1407) den Übergang der Berufungsgewalt auf die Kardinäle ein-
fach mit der Begründung: quia ipsi sunt corporis pape6; oder, wie
es Petrus de Ancarano in seinem Traktat 1409 ausdrückt, quia
sunt pars corporis sui et coadiutores in execucione officii7. Nach
1 Siehe unten S. 20ff.
2 Über den Gedanken der Konzilsberufung durch die Kardinäle gleich
im Anfang des Schismas vgl. Bliemetzrieder, Lit. Polemik 95*f.
3 „Quod d. cardinales possunt convocare concilium“. Herausgegeben
von Bliemetzrieder, Studien und Mitteilungen aus dem Benediktiner- und
Zisterzienserorden 24 (1903), 110—112.
4 S. 110: D. cardinales utriusque collegii possunt convocare concilium
generale, eorum (der Prätendenten) suplendo defectum, indisposicionem et
impotenciam per notata in c. Licet De elec., per quod patet, quod clerus
Romanus inferior potest in convocacione concilii generalis supplere defectum
pape et cardinalium; um so mehr können die Kardinäle den Defectus papae
ergänzen, cum maior sit communio inter papam et cardinales quam inter
papam, cardinales et clerum inferiorem Romanum.
5 ln bezug auf die Papstwahl hatte schon der gewiß kurialistische Augu-
stinus de Ancona dargetan, daß sie bei Fehlen des Kardinalskollegs nicht an
den römischen Klerus devolviere, sondern auf die im Konzil vertretene Gesamt-
kirche: De potestate ecclesiastica, Quaestio 3, Art. 2, Röm. Ausgabe (1584),
S. 28f. 6 Consilium bei Bzovius, Annales ecclesiastici 15, 270f.
7 RTA. 6, Nr. 300, S. 541; entsprechend Antonius de Butrio (bei dem
aber, wie bemerkt, die Kardinäle ohne Jurisdiktion berufen; sie handeln als
die, die auch sonst pape assistunt, et sine quibus non debet . . . ardua agere.
 
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