Bürgers Lenore als Volkslied.
Die nachfolgende Fassung der BüRGERschen Ballade fand ich
in Hamburg auf einem ohne Ort-, Jahr- und Verfasserangabe
gedruckten Kleinoktavblatt. Sie gehört zu den Nachzüglern der
,,Volkslied“drucke des 16. und 17. Jahrhunderts. Auch im 19.
widerfuhr beliebten Gedichten bekannter Verfasser eine solche
Verbreitung in andre Bildungsschichten als diejenige ihrer Ent-
stehung, mit größerem oder geringerem Stil- ja Motivwandel.
(Ein einzelnes besonders deutliches Beispiel derartigen Umgusses
hat Steinthal in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und
Sprachwissenschaft, Bd. 11, S. 32, untersucht: Uhlands ,,Der gute
Kamerad“, verwandelt zum Soldatenlied, das Steinthal als Spät-
ling der deutschen Romantik dem Gedicht des namentlichen Poeten
vorzieht, mit der Andacht vor dem Volksgeist den verschwiegenen
Verfasser positiv umdeutend in ein gleichsam naturhaltigeres
Gesamtwesen.) Solche Lieder sind grade Ausbrüche oder Durch-
brüche von Einzelstimmen die, ihren Kollektiven nach oben oder
unten entfremdet, eben durch die Entfremdung sangesbedürftig
und sangesfähig werden: sinnbildlich dafür ist der Bericht von dem
aussätzigen Mönch, dessen Lieder im Mittelalter rheinauf, rheinab
im Volk ertönten.
Bürgers Lenore hat sich nicht so gründlich verändert wie
des Schwaben Kameradenlied, da es schon nach des Verfassers
gelehrten Vorstellungen von Volkstümlichkeit stark, frisch und
markig geschrieben war. Nur folgte Bürger dem HERDERischen
Zeitgeschmack, Ui-iland dem Brentano-Arnim sehen. Die von
Erich Schmidt veröffentlichte Fassung und der Briefwechsel
grade über die Lenore (benutzt in dem SAUERschen Apparat zur
Ausgabe seiner Gedichte in Kürschners deutscher National-
literatur) zeigt mit welch gelehrtem Eifer und ästhetischer
Sorgfalt Bürger seiner Ballade die populäre Derbheit einarbeitete,
in dem Vorsatz, zu erreichen, was sein gelehrtester und volksfrem-
dester Schüler August Wilhelm Schlegel von ihm rühmte: „den
deutschen Volksgesang erschufst du wieder.“
r
Die nachfolgende Fassung der BüRGERschen Ballade fand ich
in Hamburg auf einem ohne Ort-, Jahr- und Verfasserangabe
gedruckten Kleinoktavblatt. Sie gehört zu den Nachzüglern der
,,Volkslied“drucke des 16. und 17. Jahrhunderts. Auch im 19.
widerfuhr beliebten Gedichten bekannter Verfasser eine solche
Verbreitung in andre Bildungsschichten als diejenige ihrer Ent-
stehung, mit größerem oder geringerem Stil- ja Motivwandel.
(Ein einzelnes besonders deutliches Beispiel derartigen Umgusses
hat Steinthal in der Zeitschrift für Völkerpsychologie und
Sprachwissenschaft, Bd. 11, S. 32, untersucht: Uhlands ,,Der gute
Kamerad“, verwandelt zum Soldatenlied, das Steinthal als Spät-
ling der deutschen Romantik dem Gedicht des namentlichen Poeten
vorzieht, mit der Andacht vor dem Volksgeist den verschwiegenen
Verfasser positiv umdeutend in ein gleichsam naturhaltigeres
Gesamtwesen.) Solche Lieder sind grade Ausbrüche oder Durch-
brüche von Einzelstimmen die, ihren Kollektiven nach oben oder
unten entfremdet, eben durch die Entfremdung sangesbedürftig
und sangesfähig werden: sinnbildlich dafür ist der Bericht von dem
aussätzigen Mönch, dessen Lieder im Mittelalter rheinauf, rheinab
im Volk ertönten.
Bürgers Lenore hat sich nicht so gründlich verändert wie
des Schwaben Kameradenlied, da es schon nach des Verfassers
gelehrten Vorstellungen von Volkstümlichkeit stark, frisch und
markig geschrieben war. Nur folgte Bürger dem HERDERischen
Zeitgeschmack, Ui-iland dem Brentano-Arnim sehen. Die von
Erich Schmidt veröffentlichte Fassung und der Briefwechsel
grade über die Lenore (benutzt in dem SAUERschen Apparat zur
Ausgabe seiner Gedichte in Kürschners deutscher National-
literatur) zeigt mit welch gelehrtem Eifer und ästhetischer
Sorgfalt Bürger seiner Ballade die populäre Derbheit einarbeitete,
in dem Vorsatz, zu erreichen, was sein gelehrtester und volksfrem-
dester Schüler August Wilhelm Schlegel von ihm rühmte: „den
deutschen Volksgesang erschufst du wieder.“
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