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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0167
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VII. Ontologie und Logik.

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nur die allgemeinsten körperwissenschaftlichen Theorien und ihre
Begriffe betreffen.
Bei andern Spezialwissenschaften mag freilich das Urprädikat,
das zu ihren Inhalten gehört, nicht ganz so „selbstverständlich“ sein,,
und da werden dann öfter als in den Körperwissenschaften logische
Überlegungen erforderlich, um über die Besonderheit des Seins,
das den Teil-Objekten zugesprochen werden muß, volle Klarheit
zu schaffen. Die Psychologie bietet dafür ein charakteristisches
Beispiel. Was ist das „psychische“ Sein ? Trotzdem dürfen wir
sagen, daß in fast jeder Spezialwissenschaft, die sich konsequent
auf einen Teil der Welt beschränkt, der Schwerpunkt des.
Interesses nicht auf der Form des Seins, sondern auf den inhaltlich
bestimmten und anschaulich gegebenen Seiten der Objekte ruht,
die in den wahren Sinngebilden zu logischen Subjekten werden,
und daß es dem Forscher vor allem darauf ankommt, die beson-
deren inhaltlich bestimmten Prädikate, die wir vom logischen
Standpunkt als „sekundäre“ bezeichnet haben, in wahren Sätzen
zum Ausdruck zu bringen. Dieser Arbeit gegenüber tritt die Frage
nach den Urprädikaten, die den zu untersuchenden Gegenständen
zukommen, mit Recht zurück. Sie kann sogar in den meisten
Fällen ohne Schaden ganz vernachlässigt werden. Der Inhalt ist
hier das eigentliche Problem. Seine Form kennt man bereits, oder
man glaubt wenigstens, sie zu kennen. Nach ihr forscht man nicht..
Man wird hieraus zunächst sehr gut verstehen, weshalb Einzel-
forscher, die nur ihre besondere Art der wissenschaftlichen Unter-
suchung im Auge haben, leicht zu intuitionistischen Ansichten
neigen, falls sie sich überhaupt um erkenntnistheoretische Probleme
kümmern, was nur selten der Fall ist. Die Wahrheit ihrer Er-
kenntnisse muß ihnen in der Tat in erster Linie, wenn nicht
allein, davon abhängig erscheinen, daß sie das inhaltlich Gegebene
vorurteilslos „sehen“ lernen, so wie es sich dem unbefangenen
Blick darbietet. Die Form des Seins, ohne welche auch sie nie
auskommen, interessiert sie eben nicht. Nur das eine wird ihnen
deshalb „erkenntnistheoretisch“ sofort einleuchten: ohne eine in-
tuitive Grundlage, d. h. ohne unmittelbare Anschauung, haben
sie keine Hoffnung, in ihrer Spezialwissenschaft zu „neuen“ Er-
gebnissen zu gelangen. Wer ihnen das sagt, dem glauben sie gern.
Daher stammt die Beliebtheit jedes Philosophen, der das „Sehen“
des Gegebenen preist, bei allen Spezialisten. Man kann geradezu
sagen: von dieser Teil-Wahrheit des Intuitionismus, daß man beim
 
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