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Rickert, Heinrich; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 1. Abhandlung): Die Logik des Prädikats und das Problem der Ontologie — Heidelberg, 1930

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https://doi.org/10.11588/diglit.40152#0206
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198

Zweiter ontologischer Teil.

X.
Sein und Nichts.
Trotzdem wollen wir, bevor wir schließen, auf einen Begriff,
wenn auch nur anhangsweise, noch zu sprechen kommen, der ge-
eignet ist, das, was wir ausgeführt haben, von anderer Seite als
bisher zu beleuchten. Man kann diesen Begriff als eine Art Gegen-
stück zu dem des ,,Seins“ bezeichnen, falls man glaubt, sinnvoll
von „etwas“ reden zu können, was überhaupt nicht in die Sphäre
des Seins fällt. Man redet jedenfalls davon. Was versteht man
logisch, oder was denkt man dabei? Es handelt sich, ganz all-
gemein gesprochen, um den Begriff des Nicht-Seienden, den man
auch mit dem Wort „das Nichts“ bezeichnet, und den man dadurch
ebenso wie „das Sein“, mit Hilfe des Artikels „das“ sprachlich
substantiviert, zu einem „etwas“ macht, das Subjekt einer Aussage
werden kann. In welches Licht kommt dieser Begriff unter dem
Gesichtspunkt unserer Lehre vom Sein als Prädikat ? Ist es über-
haupt ein „Begriff“, d. h. hat das Wort „nichts“ eine Bedeutung,
die man logisch genau bestimmen kann ?
Eine Antwort darauf gehört durchaus in den Zusammenhang,
in dem wir stehen, denn sie führt uns wieder auf die Verbindung
der Ontologie, insbesondere der Metaphysik, mit der Logik, und
zwar mit der Logik des Prädikats. In der Metaphysik hat „das
Nichts“ schon wiederholt eine Rolle gespielt, was hei seiner nahen,
wenn auch nur „negativen“ Beziehung zu „dem Sein“ nicht auf-
fallen wird; so z. B. bei Platon, in der Mystik und bei Hegel.
Eine Erörterung dieses Begriffs läßt sich vor allem dann nicht
vermeiden, wenn man sich nicht, wie wir es bisher getan haben,
auf die positiven, vom Ich bejahten Sinngebilde und ihre logische
Struktur beschränkt. Das wäre zwar gewiß möglich. Unser Er-
gebnis würde dadurch an seiner prinzipiellen Bedeutung nichts ver-
lieren. Aber wir wollen jetzt auch die negativen Wahrheiten,
d. h. die Sinngebilde, in denen ein Prädikat verneint, einem Sub-
jekt abgesprochen wird, insbesondere die wahren Sätze, die das
Prädikat „sein“ negieren, mit in den Kreis der Betrachtung ziehen,
um zu sehen, wie es in der Ontologie nicht nur mit dem Sein,
sondern auch mit dem Nicht-Sein oder dem Nichts logisch steht,
und zugleich, welche Rolle „das Nichts“ ontologisch und even-
tuell metaphysisch zu spielen berufen ist.
Dabei werden wir unsere Ausführungen am besten von vorne-
herein um den Begriff des „Nichts“, also um das sprachlich sub-
 
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