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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0008
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Ernst Leyy:

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and «gezwungen»1, daß er ihr in der eigenen Darstellung
nur ganz gelegentlich folgt.2 Und dürfen wir denn wirklich an-
nehinen, daß die poena capitis vorher und nachher den Verlust
von Leben, Freiheit und Bürgerrecht, zur Zeit Ciceros aber keines
von diesen drei Dingen bedeutet hätte?
Einen positiven Anhalt für den von Anbeginn umfassenden
Begriff des caput soll die capitis deminutio liefern. Ein fragwürdiges
Institut, das Hilfe weniger gewährt als beansprucht. Vor Cicero ist
es nicht exakt belegt3, und bei ihm nur im Sinne der später so-
genannten c. d. minima,4 Auch sachliche Gesichtspunkte legen es
nahe, daß diese Spielart, die bloße familiae mutatio, die älteste war.5
Von da zum Verlust der libertas oder civitas führt keine Brücke, und
deminui ist noch nicht «verlieren». Wenn die neuerdings mit
guten Gründen befestigte Lehre des Hotomanus Stich hält6, nach
dem ursprünglich die familia es ist, die sich um den Kopf des
Ausscheidenden mindert, dann liegt die Wurzel dev capitis deminutio
vollends weit ab von der des strafrechtlichen Terminus.
3. Soweit die allgemeine Ansicht die poena oder causa oder
res capitalis, die causa capitis oder das capitis accusare nicht auf
die Todesstrafe beschränkt findet, gibt ihr die Überlieferung gewiß
eine Handhabe. Aber zwei Warnungstafeln sind dabei aufzurichten.
Der Satz gilt nur für einen bestimmten Abschnitt der tausend-

1 909.
2 z. B. 6774. 751. Bezeichnend spricht er 834 2a-E- von dem «Interdiktions-
verfahren, wenn man dies ein kapitales nennen will», dem als «wirklich kapitale
Prozesse» (so auch 979 4) die Todesprozesse, als kapitale Strafe «im eigentlichen
Sinn» (650) die Todesstrafe gegenübergestellt werden. Regelmäßig deutet ihm
«Kapitalstrafe», «Kapitalverfahren» usw. allein auf den Tod: z. B. 1993. 202.
262. 6323. 6376. 943. 957. 967. 971. 973. Eine ähnlich zwiespältige Haltung
zeigt Costa, Crimini (einerseits 24 k 93. 186 ff. [nur Tod], andererseits 954) und
wohl die ganze Literatur; vgl. u. S. 47 3.
3 Überblick bei Desserteaux, Etudes sur la formation historique de la
capitis deminutio I (1909) 394; s. auch Küspert, Über Bedeutung und Gebrauch
des Wortes «caput» (Programm des k. human. Gymnasiums in Hof, I [1902/03],
II [1905/06]) I 32. 48.
4 Top. 18. 29.
5 Coli 1 ff’., 60ff.; Bonfante, Corso di dir. rom. I 123 ff., 130 f.; G. Segre,
Arch. giur. 99, 232; H. Krüger, SZ. 49, 542 f.
6 Perozzi, Ist.2 180 f; Beseler, Beitr. IV 92; Coli 64 f.; BonfanteI 129 >,
131; Arangio-Ruiz, Ist.2 41 f., vgl. auch Siber, Rom. Priv.-R. 26 k Anders Radin,
MdI. Fournier 651 ff.
 
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