Die römische Kapitalstrafe.
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verlor.1 Die Rolle selbst, die die Interdiktion im Kapitalprozeß
spielte, blieb die geschilderte, unberührt durch die Leges Corneliae
und über sie hinaus: sie vollzog sich in der Vollstreckungsinstanz,
außerhalb des Volksgerichts und extra legem.
einzelne Argumente m. E. widerlegt, auch den beachtlichen Umkehrschluß aus
Tab. Heracl. lin. 117 sq. als nicht zwingend dargetan. Tiberius hat allerdings
eingegriffen (dueiire ö Tißepioi; xoic; irupöq tcai ubaxoq eipxffeiat, pfj biaxtöeaöar
Kai toöto Kai vuv cpuA.dTTexai: Dio Cass. 57, 22 i. f.). Ein Testament, wie es
z. B. der verbannte C. Maenius Gemellus, Ciceros cliens (ad fam. 13, 19, 2), als
Neubürger von Patras nach dessen Recht errichtet hatte, war nun nicht
mehr möglich, weil Tiberius dem Interdizierten den Erwerb einer fremden
civitas nicht mehr gestattete. Der Exul, der zuvor bloß nec quasi civis Bo-
manus testari potest, cum sit peregrinus, kann seit Tiberius nec quasi peregrinus
testieren, quoniam nullius certae civitatis civis est (vgl. Ulp. epit. 20, 14 i. f.); er
wurde dediticiorum numero, während er bisher nur der römischen civitas
beraubt war (s. auch Ovid, Tristia 5, 11, 15—22; vgl. 2, 137; zum Erwerb ander-
weiten Bürgerrechts noch unter Augustus Strachan-Davidson II 59 3). Nur das
war die Neuerung des Kaisers. — In der Streitfrage über die Rechtsstellung
des vom Feinde zurückgewiesenen deditus (darüber zuletzt de Yisscher, Rev.
hist. 9 [1930], 455 ff.) nimmt P. Mucius Scaevola schon um das Jahr 136 v. Chr.
die Ausbürgerung des Interdizierten zum Ausgangspunkt: . . . quia quem semel
populus iussisset dedi, ex civitate expulsisse videretur, sic-ut f acer et, cum aqua
et igni interdiceret, und Pomponius (37 ad Qu. Mucium D. 50, 7, 18) berichtet
darüber ohn- einen Zweifel an die Kontinuität des Rechtszustandes. Die
wichtige Stelle darf nicht beiseite geschoben werden: weder mit Strachan-David-
son II 582, weil hier Pomponius und nicht P. Mucius rede (vgl. auch populus!),
noch mit de Yisscher 461, weil P. Mucius nicht vom Bürgerrechtsverlust, sondern
von der expulsion de la eite spreche.
1 Der Zeitpunkt für die Verwirkung des römischen Bürgerrechts fiel
sicherlich so lange mit der Annahme des fremden zusammen, als das solum
vertere der Interdiktion voraufging. Ob es aher dabei später auch dann blieb,
wenn die Inter üktion der erste Akt war, und ob erst Tiberius hier Wandel
schuf (so Strachan-Davidson II 53 58. 60), ist mehr als zweifelhaft. Freilich
spricht Cicero an der obigen Stelle (s. auch p. Caec. 100) scharf in dieser Rich-
tung, weil er in eigener Sache dartun will, daß civitatem nemo umquam ullo
populi iussu amittet invitus (de domo 78). Aber anderswo sagt er umgekehrt
quos leges exsilio adfici volunt, exsules sunt, etiamsi solum non mutarunt (Parad.
4, 31 [a. 46]). Schwerlich darf man daraus auf eine Rechtsentwicklung zwischen
den Jahren 57 und 46 schließen (so Costa, Cic. I 284). Denn bereits um 136
scheint P. Mucius Scaevola den letzteren Standpunkt zu vertreten (D. 50, 7,
18; s. vor. Anm.). Die wahrscheinlichste Lösung liegt darin, daß Cicero un-
zuverlässig berichtet. Es ist gar nicht auszuschließen, daß der Streit zwischen
Scaevola und Brutus (Mod. D. 49, 15, 4) den Zeitpunkt der Entbürgerung nicht
bloß des deditus, sondern gerade auch des Interdizierten betraf: beide Male
hätte dann die Alternative «Volksbeschluß (so Scaevola) oder seine Durch-
führung (so Brutus)» zur Diskussion gestanden, und Scaevola zieht die Parallele
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verlor.1 Die Rolle selbst, die die Interdiktion im Kapitalprozeß
spielte, blieb die geschilderte, unberührt durch die Leges Corneliae
und über sie hinaus: sie vollzog sich in der Vollstreckungsinstanz,
außerhalb des Volksgerichts und extra legem.
einzelne Argumente m. E. widerlegt, auch den beachtlichen Umkehrschluß aus
Tab. Heracl. lin. 117 sq. als nicht zwingend dargetan. Tiberius hat allerdings
eingegriffen (dueiire ö Tißepioi; xoic; irupöq tcai ubaxoq eipxffeiat, pfj biaxtöeaöar
Kai toöto Kai vuv cpuA.dTTexai: Dio Cass. 57, 22 i. f.). Ein Testament, wie es
z. B. der verbannte C. Maenius Gemellus, Ciceros cliens (ad fam. 13, 19, 2), als
Neubürger von Patras nach dessen Recht errichtet hatte, war nun nicht
mehr möglich, weil Tiberius dem Interdizierten den Erwerb einer fremden
civitas nicht mehr gestattete. Der Exul, der zuvor bloß nec quasi civis Bo-
manus testari potest, cum sit peregrinus, kann seit Tiberius nec quasi peregrinus
testieren, quoniam nullius certae civitatis civis est (vgl. Ulp. epit. 20, 14 i. f.); er
wurde dediticiorum numero, während er bisher nur der römischen civitas
beraubt war (s. auch Ovid, Tristia 5, 11, 15—22; vgl. 2, 137; zum Erwerb ander-
weiten Bürgerrechts noch unter Augustus Strachan-Davidson II 59 3). Nur das
war die Neuerung des Kaisers. — In der Streitfrage über die Rechtsstellung
des vom Feinde zurückgewiesenen deditus (darüber zuletzt de Yisscher, Rev.
hist. 9 [1930], 455 ff.) nimmt P. Mucius Scaevola schon um das Jahr 136 v. Chr.
die Ausbürgerung des Interdizierten zum Ausgangspunkt: . . . quia quem semel
populus iussisset dedi, ex civitate expulsisse videretur, sic-ut f acer et, cum aqua
et igni interdiceret, und Pomponius (37 ad Qu. Mucium D. 50, 7, 18) berichtet
darüber ohn- einen Zweifel an die Kontinuität des Rechtszustandes. Die
wichtige Stelle darf nicht beiseite geschoben werden: weder mit Strachan-David-
son II 582, weil hier Pomponius und nicht P. Mucius rede (vgl. auch populus!),
noch mit de Yisscher 461, weil P. Mucius nicht vom Bürgerrechtsverlust, sondern
von der expulsion de la eite spreche.
1 Der Zeitpunkt für die Verwirkung des römischen Bürgerrechts fiel
sicherlich so lange mit der Annahme des fremden zusammen, als das solum
vertere der Interdiktion voraufging. Ob es aher dabei später auch dann blieb,
wenn die Inter üktion der erste Akt war, und ob erst Tiberius hier Wandel
schuf (so Strachan-Davidson II 53 58. 60), ist mehr als zweifelhaft. Freilich
spricht Cicero an der obigen Stelle (s. auch p. Caec. 100) scharf in dieser Rich-
tung, weil er in eigener Sache dartun will, daß civitatem nemo umquam ullo
populi iussu amittet invitus (de domo 78). Aber anderswo sagt er umgekehrt
quos leges exsilio adfici volunt, exsules sunt, etiamsi solum non mutarunt (Parad.
4, 31 [a. 46]). Schwerlich darf man daraus auf eine Rechtsentwicklung zwischen
den Jahren 57 und 46 schließen (so Costa, Cic. I 284). Denn bereits um 136
scheint P. Mucius Scaevola den letzteren Standpunkt zu vertreten (D. 50, 7,
18; s. vor. Anm.). Die wahrscheinlichste Lösung liegt darin, daß Cicero un-
zuverlässig berichtet. Es ist gar nicht auszuschließen, daß der Streit zwischen
Scaevola und Brutus (Mod. D. 49, 15, 4) den Zeitpunkt der Entbürgerung nicht
bloß des deditus, sondern gerade auch des Interdizierten betraf: beide Male
hätte dann die Alternative «Volksbeschluß (so Scaevola) oder seine Durch-
führung (so Brutus)» zur Diskussion gestanden, und Scaevola zieht die Parallele