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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0039
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Die römische Kapitalstrafe.

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meinen? Wer konnte aus den Gesetzen des letzteren Typs ab-
lesen, daß die direct sentence of the law1 nicht Verbannung, sondern
Todesdrohung sein sollte?
18. Die Auslegung, die die Juristenfragmente von der poena
legis Corneliae bieten, stimmt, wenn man von der Anpassung an
Deportation und Konfiskation absieht, genau mit dem überein,
was wir den literarischen Quellen als das Ergebnis einer schritt-
weisen organischen Entwicklung zu entnehmen hatten: Strafe war
die Interdiktion. Aber die Fassade, hinter der sich diese Wand-
lung vollzogen hatte, blieb die gleiche: die Worte de capite quaerito
standen in den kornelischen Gesetzen noch unverändert wie zu
Sullas Zeit. Das konnte für die Auffassung des Terminus caput
unmöglich ohne Folgen bleiben. Wenn ein quaerere de capite, ein
accusare oder reum facere capitis, eine causa oder res capitalis, ein
crimen oder iudichmi capitale auf bloße Verbannung hinauslaufen
mochte und regelmäßig hinauslief, so hatten caput und capitalis
in all diesen Verbindungen eben einen neuen Inhalt gewonnen:
nicht durch willkürlichen Staatsakt, sondern allmählich und mit
einer inneren, zwingenden Folgerichtigkeit. Capitalis hieß jetzt die
todes- oder verbannungswürdige Tat, nicht mehr bloß die todes-
würdige; der tod- oder verbannungbringende Prozeß, nicht mehr
bloß der todbringende. Sofort im Beginn des Prinzipats hören
wir das von der ersten Autorität:
Ter. Clem. D. 37, 14, 10 (Nr. 22): Labeo existimabat ca-
pitis accusationem eatn esse, cuius poena mors aut exilium esset.
Der eingliedrige Begriff war auch in der technischen Juristen-
sprache zu einem alternativen geworden. Nicht zu einem mehr-
deutigen, schillernden. Weder Labeo noch sonst jemand deutet
an, daß, wie die herrschende Lehre meint, die genannten Termini
bald in einem engeren und bald in einem weiteren Sinne gebraucht
worden wären. Die Alternative der Strafdrohung charakterisiert
das kapitale Verbrechen und Verfahren. Von den beiden
Strafen dagegen, zwischen denen die Alternative besteht, behält
jede einen ihr ausschließlich zugehörigen Namen: dort das exilium,
hier die capitis poena2 oder das punire capite. Das ist die Trennung
der caput-Termini, die für die klassische Zeit zu erweisen sein
1 Vgl. II 73; II 30 wird die bisherige und richtige Begriffsbestimmung
der Interdiktion anerkannt.
2 Nicht auch die capitalis poena (u. S. 58 ff.). Das Adjektiv hat für die
Klassiker immer die alternative Bedeutung.
 
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