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Levy, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 5. Abhandlung): Die römische Kapitalstrafe — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40156#0071
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Die römische Kapitalstrafe.

71

Verbindung mit poena, sententia, supplicium usw. die Kapitalstrafe
bezeichnen soll, ist die Dürftigkeit der Belege für Kapitalverbrechen
und Kapitalprozeß doppelt beweisend. Man vermeidet diese Begriffe
auch da, wo die Vorzeit mutatis mutandis mit großer Wahr-
scheinlichkeit nach ihnen gegriffen hätte. — Mommsen1 lehrt, daß
von den häufigen Amnestien «Kapitalverbrechen» regelmäßig aus-
geschlossen waren. Aber von den acht Erlassen zwischen 322 und
etwa 400, die über solche Ausnahmen berichten, braucht nicht ein
einziger den Terminus: CT. 9, 38, 1. 3. 4. 6. 7. 8 zählen die aus-
geschiedenen crimina ausdrücklich auf; eod. 2 und 10 ziehen die
Grenze im Gegensatz zu der des crimen capitale dahin, daß die
quinque crimina, quae capite vindicantur ausgeschlossen, Deportations-
und Bergwerksstrafen dagegen einbezogen sind. Der einzige Erlaß,
der nach der Art der Tat gliedert (eod. 7), unterscheidet leviora
crimina und saeviora scelera. Ein ähnliches Bild bietet die Auf-
zählung der Ehescheidungsgründe: zunächst geben namentlich
angeführte je tria crimina des einen Gatten dem anderen das liecht
zu gefahrloser Ehelösung (CT. 3, 16, 1 [331]); der zweite Erlaß (CT.
eod. 2 [421]) verallgemeinert das zu magna crimina und grave crimen.
36. An einem Bedürfnis, die Straftaten nach ihrem Tatbestand
zu klassifizieren, fehlt es also auch jetzt nicht. Nur setzt man an
die Stelle der veralteten capitalis causa als Einteilungskriterium die
weniger präzise, dafür aber elastischere «Schwere» des Verbrechens.
Das ist nicht etwa neue Erfindung. Wir haben gesehen, daß es
für die klassische Zeit nur im Rahmen der iudicia publica kapitale
oder nichtkapitale Vergehen gab.2 Außerhalb dieses Kreises be-
durfte man daher einer anderen Abstufung. Schon Augustus er-
ließ i. J. 8 n. Chr. ein Edikt, das die Folterung der zu vernehmenden
Sklaven auf capitalia et atrociora maleficia beschränkte (Paul. D.
48, 18, 8pr.): das zweite Beiwort läßt sich wohl nur begreifen,
wenn man an die von den iudicia publica im älteren Sinne nicht
umfaßten Straftaten denkt. Das gleiche, bloß auf den jüngeren
Sinn bezogen, gilt von Ulp. D. 26, 10, 1, 8 (facta atrociora), D. 48,
2, 6 (levia crimina), D. 48, 3, 3 (grave scelus), D. 49, 7, 1, 5 (graviora
crimina, levius); Paul. D, 49, 16, 14, 1 (gr-ave crimen); Men. D. eod.
2, 1 (grave crimen), eod. 4, 10. 14 (gravius und levius delictum);
M arcian. D. 39, 4, 16, 1 und Mod. D. 49, 16, 3 pr. (quid gravius
1 456.
2 Ob. S. 62 ff.
 
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