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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0047
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

eingeflochten ist als Exemplum die Geschichte von den zerschnittenen
Schollen — und das ist ein Märchenzug1, der sehr wohl auch in
einer Fabel Vorkommen mochte. Ziegler hat in seinem wichtigen
Aufsatz2 mit Recht allerlei kosmogonische und anthropogonische
Mythen und Naturlehren mit dem aristophanischen Mythos ver-
glichen: an die Fabelätiologie hat er nicht gedacht. Und doch
gehört das m. E. mit dazu. Hinter den Phädriana wird der Kynismus
stehen, nicht als Erfinder, sondern als Vermittler. Solche Deutungs-
weise kann schon in frühe Zeiten hinaufreichen; das ätiologische
Bedürfnis nach dem Verstehen des Geschlechtslebens braucht keines-
wegs Zeichen später Dekadenz zu sein. Die Götter, Ursache von
allem, sind naturgemäß Urheber auch dieser Erscheinungen, oder
Prometheus, der Menschenbildner. Pan gilt zum Beispiel als εύρετής
der Onanie, Hermes lernte sie von ihm, von diesem weiter die
Hirten. Hier ist die Rolle der Kyniker in der Tradition evident.3
Der Gedanke, für solche αίτια über die Kyniker, über Platon
hinaus4 in primitive Fabulistik vorstoßen zu wollen, mag vermessen
erscheinen. Ich gestehe, die Phädriana auch lange für junge Neu-
bildungen gehalten zu haben. Doch stehen die Dinge nicht isoliert.
Auch im Tierleben beachtet man die Pudenda und kommt bei
ihrer Ätiologie in die „Götterburleske“. So beim Suchen nach dem
Grund dafür, warum canis cani culum olfacit, Phädrus IV, 18 (19).
In seiner eingehenden Behandlung wies Thiele, Hermes 43, 1908,
352ff. auf entsprechende Volksüberlieferungen bei uns hin, und aus
Bolte-Polivka III, 543—555 kann man sich von der weiten Ver-
breitung ein Bild machen. Sollte das alles nur antikes Erbe sein?
Äsop 319 erklärt, warum die Esel παριστάμενοι ουρουσιν, und man
ist wieder bei Zeus als letzter Ursache. Eine der merkwürdigsten
Erfahrungen, die die Durchsicht der zwölf Bände von Leo Frobenius’
Atlantis mir brachte, war die Verbreitung von Aitia für das sexuelle
Leben im Erzählungsgut dieser afrikanischen Stämme. Bekannt ist
ja, daß ein guter Teil primitiver Traditionen die Ursache namhaft
macht für soziale und religiöse Einrichtungen, für Eigenheiten ihres
ganzen kulturellen Lebens, für Sitten und Bräuche, für bestimmte
1 Ziegler, N. Jahrb. 31, 1913, 531.
2 a. a. 0. 529 — 573.
3 Zeugnisse bei Roscher III, 13961.
4 Wilamowitz, Sappho, u. Simon. 72, A. 1 sagt, der Apolog des Phädrus sei
aus dem Symposion 191 E gemacht. Bei der Verschiedenheit des αίτιον in beiden
Fällen eine gewiß irrige Behauptung!
 
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