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Weinreich, Otto; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1930/31, 7. Abhandlung): Fabel, Aretalogie, Novelle: Beiträge zu Phädrus, Petron, Martial und Apuleius — Heidelberg, 1931

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https://doi.org/10.11588/diglit.40158#0049
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Fabel, Aretalogie, Novelle.

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quemer zugänglichen Sammlungen (wie den „Märchen der Welt-
literatur“ bei Diederichs) herrscht zu sehr die Tendenz der Aus-
wahl in usum Delphini. Doch genügen die angeführten Proben
wohl, um zu zeigen, daß die Aitia der antiken Fabeln in eine
Schicht letzten Endes hineinweisen, die zum Bestand urtümlicher
Weltdeutung und Lebenserklärung gehören. Die Rolle der Götter,
des Kulturheros, die uns zunächst verdächtig eng zur reinen Götter-
burleske zu gehören schien, erweist sich als Fortleben und Um-
formung ursprünglich naiver Ätiologie. Über die primitiven Anfänge
erhob sich das halb mythische, halb wissenschaftliche Weltbild der
Kosmo- und Anthropogonien, die Ziegler herausgearbeitet hat* 1, er-
hob sich auf der andern Seite die noch volkstümliche, aber schon
paignionartig gewordene Fabel. Platon empfing m. E. von diesen
beiden Formen der Ätiologie des menschlichen Eros her gewisse
Anregungen, als er jene einzigartige Mischung von Mythos und
Ainos, Spiel und Ernst, Wissenschaft und Phantasie zur Aristophanes-
rede formte.
Die beiden Phädrusfabeln stammen aus zeitlich nicht scharf
festzulegenden Äsopea; ihre Denkform weist, wie ich glaube wahr-
Beschaffenheit: Boas 66. Genitalien erst später an ihren geziemenden Platz ge-
setzt: Boas 23, 108, 202. Ursprung der Menses: Boas 285; W. Krickeberg,
Indianermärchen aus Nordamerika 44; Koch-Grünberg, Indianermärchen aus Süd-
amerika 241 f.
1 a. a. 0. J. Winthuis hat in seinem außerordentlich anregenden Werk, Das
Zweigeschlechterwesen (Lpz. 1928), Platons, der Genesis usw. auch gedacht, leider
ohne Ziegler zu kennen. Die von gewissen Gliedern des Anthropos-Kreises gegen
ihn gerichtete Polemik mutet den Philologen, der diese Dinge aus dem altwelt-
lichen Denken kennt, befremdend an. Erstaunlich ist das Verhalten des Leiters
eines religionsgeschichtlichen Forschungsinstituts (Ztschr. f. Missionskunde u. Rel.
Wiss. 45, 1930, 214f.), der, ohne einen Blick in Winthuis Buch getan zu haben,
die Gegenschrift beifällig rezensiert! Über diese, vgl. jetzt Winthuis, Zeitschr. f.
Völkerpsychol. 6, 1930; auch separat: 'Die Wahrheit über das Zweigeschlechter-
wesen’. Die Missionare, die ihre Primitiven als Unschuldslämmer hinstellen, in
deren Denken das Sexuelle eigentlich kaum eine Rolle spiele, betrachten vielleicht
einmal die Metaphorik ihrer eigenen Muttersprachen oder die der antiken, wo
freilich das Problem noch kaum in Angriff genommen ist. Das menschliche Denken,
wie es sich in sprachlichen Metaphern rudimentär spiegelt, ist durchsetzt von
sexuellen Anschauungsformen, die man heute kaum mehr als solche empfindet,
die aber gelten müssen als Ausläufer primitiver Ätiologie und sexual-mythischer
Denkformen. Es genüge zu verweisen auf Sperber, Imago 12; Spitzer, Wörter
und Sachen 5, 206 ff.; Rohlfs, Arch. f. d. Stud. d. neueren Sprachen 146, 126ff.;
Goldberger, Glotta 18, 42 ff. Bachofen hat manches intuitiv erfaßt, aber das
Problem müßte, auch für die Antike, einmal im großen aufgenommen werden.
Sitzungsberichte der Heidelb. Akademie, phil.-hist. Kl. 1930/31. 7. Abh. 4
 
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