Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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Der erste dieser Kämpfe war die duellgegnerische Agitation,
die 1791 in Jena ein Nichtstudent, der Hofmeister des studierenden
Grafen C. F. zu Castell und spätere bayrische Kirchenrat Hein-
rich Stephani entfesselte und die zu dem berühmten Auszug der
Studentenmehrheit nach Nohra 1792 führte. Für unsre Unter-
suchung ist nicht nur bedeutungsvoll, daß er die Ursache der
studentischen Ausschreitungen in der „despotischen Behandlung
der jungen Leute“ erblickte16, und daß die Spottbezeichnung seiner
Anhänger als „Schokoladisten“ neben der Duellgegnerschaft auch
auf ein abstinenzlerisches Element schließen läßt. Wichtiger ist,
daß sein Hauptwerkzeug in der Studentenschaft, der übelbeleu-
mundete Mediziner Kiriakos Polizo, ein Grieche aus Janina, ein
Schüler des berüchtigten Theologen Karl Friedrich Bahrdt war17,
der nach wiederholten Entlassungen als Professor in Leipzig, Erfurt
und Gießen als einer der damals häufigen „Privatlehrer“ (Vor-
läufer der späteren Privatdozenten) in Halle wirkte und dort 1788
die maurerische „Deutsche Union“ begründet hatte, offenbar, wie
seine gleichzeitigen Annäherungsversuche an die Illuminaten lehren,
vor allem zu persönlichen Bereicherungszwecken18. Nirgends finde
ich angemerkt, daß er der gleiche war, gegen den schon der junge
Goethe 1774 seinen satirischen „Prolog zu den neuesten Offen-
barungen Gottes“ gedichtet hatte. Zu Bahrdt, dem aufklärerischen
Verwässerer der Bibel, kommen die vier Evangelisten als Bitt-
„Wir hören, du bist ein Biedermann
Und nimmst dich unsres Herren an.
Uns wird die Christenheit zu enge,
Wir sind jetzt überall im Gedränge.“
Und Bahrdt putzt sie herunter:
„Die Leute würden sich entsetzen:
Sie sind nicht gewohnt solche Bärte breit
Und Röcke so lang und Falten so weit;
Und eine Bestie, muß ich sagen,
Würde jeder andre zur Tür ’naus jagen.“
16 P. Ssymank in Quellen u. Darst. 4 (1913), 2. Das preußische Stu-
dentenrecht (ALR. Anh. § 136) begünstigte die Studentennovelle durch Be-
freiung der behandelnden Ärzte von der Zeugnispflicht.
17 Ssymank a. a. O. 9. Dazu neuestens O. Götze, Die Jenaer akademi-
schen Logen und Studentenorden (Jena 1932) 105 in einem anonymen Brief
an den Prorektor Grüner: „ein Mensch, der Arten der Maurerei mit akademi-
schen Orden verwechselt, [verdient] Strafe“.
18 Wertvolle Angaben über ihn bei Le Forestier a. a. 0. 624ff.
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Der erste dieser Kämpfe war die duellgegnerische Agitation,
die 1791 in Jena ein Nichtstudent, der Hofmeister des studierenden
Grafen C. F. zu Castell und spätere bayrische Kirchenrat Hein-
rich Stephani entfesselte und die zu dem berühmten Auszug der
Studentenmehrheit nach Nohra 1792 führte. Für unsre Unter-
suchung ist nicht nur bedeutungsvoll, daß er die Ursache der
studentischen Ausschreitungen in der „despotischen Behandlung
der jungen Leute“ erblickte16, und daß die Spottbezeichnung seiner
Anhänger als „Schokoladisten“ neben der Duellgegnerschaft auch
auf ein abstinenzlerisches Element schließen läßt. Wichtiger ist,
daß sein Hauptwerkzeug in der Studentenschaft, der übelbeleu-
mundete Mediziner Kiriakos Polizo, ein Grieche aus Janina, ein
Schüler des berüchtigten Theologen Karl Friedrich Bahrdt war17,
der nach wiederholten Entlassungen als Professor in Leipzig, Erfurt
und Gießen als einer der damals häufigen „Privatlehrer“ (Vor-
läufer der späteren Privatdozenten) in Halle wirkte und dort 1788
die maurerische „Deutsche Union“ begründet hatte, offenbar, wie
seine gleichzeitigen Annäherungsversuche an die Illuminaten lehren,
vor allem zu persönlichen Bereicherungszwecken18. Nirgends finde
ich angemerkt, daß er der gleiche war, gegen den schon der junge
Goethe 1774 seinen satirischen „Prolog zu den neuesten Offen-
barungen Gottes“ gedichtet hatte. Zu Bahrdt, dem aufklärerischen
Verwässerer der Bibel, kommen die vier Evangelisten als Bitt-
„Wir hören, du bist ein Biedermann
Und nimmst dich unsres Herren an.
Uns wird die Christenheit zu enge,
Wir sind jetzt überall im Gedränge.“
Und Bahrdt putzt sie herunter:
„Die Leute würden sich entsetzen:
Sie sind nicht gewohnt solche Bärte breit
Und Röcke so lang und Falten so weit;
Und eine Bestie, muß ich sagen,
Würde jeder andre zur Tür ’naus jagen.“
16 P. Ssymank in Quellen u. Darst. 4 (1913), 2. Das preußische Stu-
dentenrecht (ALR. Anh. § 136) begünstigte die Studentennovelle durch Be-
freiung der behandelnden Ärzte von der Zeugnispflicht.
17 Ssymank a. a. O. 9. Dazu neuestens O. Götze, Die Jenaer akademi-
schen Logen und Studentenorden (Jena 1932) 105 in einem anonymen Brief
an den Prorektor Grüner: „ein Mensch, der Arten der Maurerei mit akademi-
schen Orden verwechselt, [verdient] Strafe“.
18 Wertvolle Angaben über ihn bei Le Forestier a. a. 0. 624ff.