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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0022
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22

Carl Brinkmann:

durch „Inspektoren oder Assistenzräte, weil die Empfehlungen an
einfache Professoren nicht genügen („wer diese Besuche kennt, wird
selbst wissen, wie wenig sie fruchten“ S. 38), Verlegung der Uni-
versitäten aus „kleineren Provinzial- oder Nebenstädten“, „wo der
Professor in aller Rücksicht die erste Rolle spielt und spielen muß“
(S. 16), zwar nicht in große Hauptstädte, aber doch in größere
Städte (etwa Celle statt Göttingen) mit Klubs für den „einzigen
unschätzbaren Trieb der Menschen, Geselligkeit“ (S. 17), mit den
zu Unrecht verschrienen Theatern, größerem Krankenmaterial und
humanerer Behandlung in den Kliniken und einer allgemeinen
Mischung der Stände: „Freilich weiß ich sehr wohl, daß nach
unserer jetzigen Lage das Aufheben des Ranges überhaupt untun-
lich und insofern lächerlich sei; allein noch weit lächerlicher kommt
es mir vor, wenn ich in jedem Collegio den Professor noch stets die
Durchlauchtigsten Prinzen, Erlauchten Grafen und Hochgeborene
Barone besonders anreden höre, und einen eigenen Grafentisch
finde ... Es ist, überhaupt geredt, für jeden denkenden Geringem
einmal traurig, wenn er so sehr an andere, oft gewöhnliche Men-
schen, die wir Große nennen müssen, hinan zu sehen sich gezwungen
sieht, und es ist auf der anderen Seite diesen oft nur von Geburt
Großen nichts so schädlich, als die stündliche Erinnerung des ihnen
so glücklichen Zufalls“ (S. 22f.). Und „woher alle jene Zusammen-
rottungen und Orden, alle jene scheußliche Trink- und Spielgelage;
jener schiefe Ton von Bravour; woher alle jene lächerliche widrige
Trachten, Kokarden usw., jene überspannten Ideen von lächer-
licher Beamtenfreiheit ? Größtenteils nehmen sie daher ihren Ur-
sprung, daß der verlassene junge Mensch sich stets zu seines gleichen
zu halten gezwungen sieht, daß ihm nur diese Gelage zur Erholung
übrig sind“ (S. 20). Zur Vermeidung von Verschwendung aber wie
auch zwecks „Annäherung mehr zum Gleichwerden“ (S. 25) wird
eine Studentenuniform vorgeschlagen, nicht nach dem Vorbild des
mittelalterlichen Oxforder und Cambridger Talars, sondern „irgend-
eine vernünftig gewählte, gewöhnlich gemachte Uniform von hei-
terer Farbe, die dabei reinlich und nicht zu kostbar ist.“ Vom Vor-
teil der Überwachung Uniformierter ist nicht die Rede. Aber es
bleibt doch denkwürdig, wie hier gleich das früheste liberale Uni-
versitätsreform-Programm mit einem Zuge endet, der dann im
19. Jahrhundert nur den -— russischen Universitäten eigen gewe-
sen ist41.

41 Den Gedanken, an den Universitäten aus Sparsamkeit „eine einfache
 
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