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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0021
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Der Nationalismus und die deutschen Universitäten. 21
vernünftiger Regenten da sind, als vielleicht jemals; kurz daß wir,
wie gesagt, im Ganzen außerordentlich vorwärts gegangen sind.“
Man sieht wie in einem Brennspiegel die Stimmung des sterbenden
Rokoko unmittelbar in die des Empire, den älteren Liberalismus
in den jüngeren Umschlägen. Was will dieser von den Universi-
täten ?
Wissenschaftlich zuvörderst die Anerkennung der „großen
Revolution, welche sich sowohl in unserer Erziehung, in den Graden
der Kultur und ihres Allgemeinwerdens, als auch in den Wissen-
schaften selbst ereignet hat“ (S. 13). Das gilt vom Unterricht: „Die
Kenntnisse sind nicht mehr so ausschlußweise die Vorrechte des
Gelehrten von Profession, es ist also bei weitem nicht mehr hin-
reichend, bloß in diesem oder jenem Fache der Gelehrsamkeit etwas
getan zu haben, man sieht schon selbst auf den großen Gelehrten
mit Bedauern, wo nicht gar mit Ekel, der gegen die Sitten der
feinem Welt gröblich verstößt. Die Verbesserungen der Lehr-
methoden führen dem Kinde Sprachen und Wissenschaften viel
leichter, daher auch viel früher zu. Der Jüngling wird also eher mit
den sogenannten Schulkenntnissen fertig, und darf dies, in dieser
Rücksicht, auch allerdings tun. Sonst sähe man daher bärtige
Männer in Prima, selbst vor sechzig Jahren wohl in Sekunda; jetzt
könnte man einigen Studenten noch ihre Wärterinnen mitgeben,
wenigstens ist es nichts Ungewöhnliches, Kinder von dreizehn
Jahren in den Hörsälen anzutreffen.“ (S. 11 f.) Es gilt aber auch
von den Wissenschaften selbst, unter denen besonders die neuen
der Kameralistik, Technologie, Militärkunde, Finanzlehre, Tierheil-
kunde und „Anwendung der Chymie auf Fabriken, Manufakturen
und Agrikultur“ aufgezählt werden: Der Realismus klopft an die
Tore der Universität.
Als Reformgedanken aus all dem werden schon hier abgeleitet:
Umwandlung des Prorektorats in ein dauerndes, von Lehrpflichten
befreites Verwaltungsamt (S. 29ff.40), Überwachung der trotz „wirk-
lich hinreichender Vorkenntnisse“ zu unerfahrenen ersten Semester
40 Eben damals gutachtete Goethe an Carl August (Mai-Juni? 1786
Briefwechsel ecl. H. Wahl 1, 69): „Zu allem was den Anschein einer tempo-
rären oder fortdauernden Diktatur hat, als Verlängerung eines Prorektorats,
die Anstellung eines Justitiarii oder eines Canzlers würde ich niemals raten,
da man zu bedenken hat, daß, wenn es auch möglich wäre, das vollkommenste
Individuum zu so einem Amte zu finden, doch der Widerstand unbezwinglich
bleiben und die Gegenwirkung sehr viel unangenehme Szenen hervorbringen
würde.“
 
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