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Carl Brinkmann:
ners schon vor der Epoche der Kriegs- und Wirtschaftswirren das
Eingehenlassen empfahlen. Erregte schon dieser Gedanke der Zu-
sammenlegung der deutschen Universitäten auf etwa ein halbes
Dutzend nicht nur bei den Betroffenen begreiflichen Widerstand,
so setzten auch andere plutokratische Züge besonders die Göttinger
Universitätsliteratur Vorwürfen und Mißdeutungen aus, so nament-
lich ihre Verurteilung eines angeblichen Übermaßes von Stipendien,
Freitischen, Heimen (Konvikten) und Seminarien, wodurch „Staat
und Kirche mit Haufen unbrauchbarer Menschen überladen wur-
den45“ und deren teilweise Umstellung zur Ausstattung wissen-
schaftlicher Anstalten man empfahl.
III.
Die Volkstumbewegung der Jugend.
Fast genau um die Jahrhundertwende, also geraume Zeit vor
den großen äußeren Anstößen des preußischen Untergangs und
Wiederaufstiegs, beginnt nun in diese Auseinandersetzung der gou-
vernemental-liberalen und der konservativ-traditionalen Meinungen
über Universität und Studentenschaft eine dritte Stimme einzu-
fallen, die beiden weithin entgegengesetzte des erwachenden deut-
schen Volksbewußtseins. Eines der frühesten Zeugnisse, die ich
dafür finden kann, ist Jahns anonyme Erstlingsschrift „Über die
Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche46“. Nach
einer vernichtenden Kritik der Leistungen der niederen Schulen
für die Bildung vaterländischer Gesinnung namentlich im Ge-
schichtsunterricht sagt Jahn hier: „Verschroben kommen nun so
viele talentvolle Jünglinge von den Schulen auf die Universitäten.
Sie sind hier wie die jungen Bäume, an denen ein Gärtner lange
schnitzelte und künstelte. Kaum werden sie aus der Baumschule
45 Me ine rs 1, 70: Er habe 1788 in Wien „von einem unterrichteten
und zuverlässigen Manne“ gehört, daß in den k. k. Erblanden jährlich wenig-
stens 300 000 fl. an Stipendien ausgezahlt würden. Einer von Michaelis’
Gegnern, der anonyme Verfasser der dem kurmainzischen Statthalter zu Erfurt
Frhrn. C. W. J. v. Breidbach gewidmeten „Freimütigen Betrachtungen über
das Raisonnement“ (Frkft.-Tüb. 1769) S. 23f. rechnet bei vier Fünfteln „mittel-
mäßigen und armen“ und ein Fünftel „reichen“ Studenten den Durchschnitts-
wechsel in Jena auf 200 Rt„ gegenüber 300 in Göttingen.
46 Werke ed. C. Euler 1 (Hof 1883), 12ff. Es bezeichnet jene Zeit, daß
der Name O. C. C. Höpffner, unter dem sie erschien, der eines Mannes ist,
der das Ms. von Jahn kaufte!
Carl Brinkmann:
ners schon vor der Epoche der Kriegs- und Wirtschaftswirren das
Eingehenlassen empfahlen. Erregte schon dieser Gedanke der Zu-
sammenlegung der deutschen Universitäten auf etwa ein halbes
Dutzend nicht nur bei den Betroffenen begreiflichen Widerstand,
so setzten auch andere plutokratische Züge besonders die Göttinger
Universitätsliteratur Vorwürfen und Mißdeutungen aus, so nament-
lich ihre Verurteilung eines angeblichen Übermaßes von Stipendien,
Freitischen, Heimen (Konvikten) und Seminarien, wodurch „Staat
und Kirche mit Haufen unbrauchbarer Menschen überladen wur-
den45“ und deren teilweise Umstellung zur Ausstattung wissen-
schaftlicher Anstalten man empfahl.
III.
Die Volkstumbewegung der Jugend.
Fast genau um die Jahrhundertwende, also geraume Zeit vor
den großen äußeren Anstößen des preußischen Untergangs und
Wiederaufstiegs, beginnt nun in diese Auseinandersetzung der gou-
vernemental-liberalen und der konservativ-traditionalen Meinungen
über Universität und Studentenschaft eine dritte Stimme einzu-
fallen, die beiden weithin entgegengesetzte des erwachenden deut-
schen Volksbewußtseins. Eines der frühesten Zeugnisse, die ich
dafür finden kann, ist Jahns anonyme Erstlingsschrift „Über die
Beförderung des Patriotismus im Preußischen Reiche46“. Nach
einer vernichtenden Kritik der Leistungen der niederen Schulen
für die Bildung vaterländischer Gesinnung namentlich im Ge-
schichtsunterricht sagt Jahn hier: „Verschroben kommen nun so
viele talentvolle Jünglinge von den Schulen auf die Universitäten.
Sie sind hier wie die jungen Bäume, an denen ein Gärtner lange
schnitzelte und künstelte. Kaum werden sie aus der Baumschule
45 Me ine rs 1, 70: Er habe 1788 in Wien „von einem unterrichteten
und zuverlässigen Manne“ gehört, daß in den k. k. Erblanden jährlich wenig-
stens 300 000 fl. an Stipendien ausgezahlt würden. Einer von Michaelis’
Gegnern, der anonyme Verfasser der dem kurmainzischen Statthalter zu Erfurt
Frhrn. C. W. J. v. Breidbach gewidmeten „Freimütigen Betrachtungen über
das Raisonnement“ (Frkft.-Tüb. 1769) S. 23f. rechnet bei vier Fünfteln „mittel-
mäßigen und armen“ und ein Fünftel „reichen“ Studenten den Durchschnitts-
wechsel in Jena auf 200 Rt„ gegenüber 300 in Göttingen.
46 Werke ed. C. Euler 1 (Hof 1883), 12ff. Es bezeichnet jene Zeit, daß
der Name O. C. C. Höpffner, unter dem sie erschien, der eines Mannes ist,
der das Ms. von Jahn kaufte!