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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0028
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28

Carl Brinkmann:

tigen Prediger, Schullehrer und Jugenderzieher. Würde für sie die
Geschichte des Vaterlandes hier gelehrt, so würde der hierdurch
entspringende Vorteil für das Reich nicht zu berechnen sein, und
die spätesten Enkel werden den König segnen, der diese Säule der
Glückseligkeit und Stärke dem Reiche erbaute. Auf den Universi-
täten sind die Lehrstunden immer gedrängt voll, von denen sich
die Jünglinge Vorteile bei den Prüfungen zu Ämtern versprechen.
Wäre dies auch der Fall mit der Geschichte des Vaterlandes, so
würden die Hörsäle der Geschichtslehrer bald zu eng sein, würden
nicht alle Lernbegierigen fassen können. Durch Beförderung der
Geschichte des Vaterlandes wird vom Könige, dem Herzen des
Reichs, Patriotismus in die entferntesten Glieder sich ergießen und
aus tausend Kanälen wieder zurückströmen. Vielleicht ist diese
Beförderung in jetzigen stürmischen Zeiten notwendiger als je, da
Philosophen und andere Schriftsteller nur Weltbürgersinn emp-
fehlen und gegen Fürstenliebe als Torheit und Aberglauben und
gegen Vaterlandsliebe als Kinderei und Frevel raten.“
Ich darf vorwegnehmend gleich auch auf die schon wesentlich
kühnere Behandlung der Universitätsfragen in Jahns unmittelbar
nach Preußens Zusammenbruch (1807) geschriebnem, 1810 ver-
öffentlichten „Deutschen Volkstum“ eingehen. Auch hier scheint
mir in der Geschichte des deutschen Nationalgefühls jungfräulicher
Boden betreten. Davon zeugt ja schon die Wortschöpfung des
Titels: Wir stehen am Ursprung des noch heute nicht ausgeschöpf-
ten Volkstum-Begriffs48. Überhaupt möchte ich im Vorbeigehen
wenigstens meine Überzeugung aussprechen, daß die gemeine Mei-
nung von einem zweiten oder dritten Range Jahns in der Schar
der Ahnen des einigen Deutschlands zu überprüfen sein wird. Sie
geht von Treitschke bis heute auf Urteile wie das Steins über
den „fratzenhaften Kerl49“ zurück, deren persönlich-soziale „Glei-
chung“ (im genannten Falle der Aristokratismus Steins) erst noch
zu untersuchen wäre (vgl. u. Anm. 128).
Aus der noch ganz aufklärerisch-naiven Auffassung der älteren
Universitätsgeschichte erwächst mit einem Male die treffendste For-
48 Da das Grimm sehe Wtb. gerade kurz vor dem Wort hält, vgl. einst-
weilen die Belege bei Sanders 2, 1432 und A. Brunner in Zs. d. Allg. Dt.
Sprachvereins 15 (1900), 69ff.
49 S. jetzt G. Ritter. Stein (1931) 2, 235. Gerecht werden Jahn allein
J. Nadlers Literaturgeschichte der deutschen Stämme und E. Spranger,
Philosophie und Pädagogik der Preußischen Reformzeit, Hist. Zeitschr. 104
(1910), 301 und 313.
 
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