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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0029
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Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.

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mulierung ihrer Lage an der damaligen Zeitwende50: „Leider ent-
standen die heutigen Hochschulen größtenteils in einer rohen Zeit,
machten anfänglich eine gelehrte Ritterschaft aus, wurden über-
dies als gelehrte Zünfte eingerichtet. So ward das Wissen vom
Handeln, das Gelehrtsein vom Leben geschieden. Der Menschen-
freund muß trauern, daß sich hier so selten einte, was sich nimmer
trennen sollte — Wissenschaft und Weltverstand. Da findet der
Vielerfahrene in eignen Erlebnissen einen Weisheitsschatz. Was
der Zufall nicht zusammengeerntet, erkennt er im voraus für un-
echt, und seine Zeit ist zu edel, er kann zur Probe keine Prüfung
wagen. Und erscheint dann ein Großgeist, schafft er Gedanken-
gebilde, Vorbilder eines bessern Seins, erfindet er Rettungsmittel
für Vaterland und Menschheit, so tritt der Welterfahrene gleich
als Gegner auf, spricht ab. Verworfen wird der Plan als schöne
Geschichtsdichtung; und die Herkommensmänner und Schlender-
menschen sorgen dafür, daß er so sich bewähren muß, weil sie jeden
Versuch hindern. Unwillig spottet dann der Vorausdenker über
Zeitgenossen und Zeitalter, beide seiner nicht wert, verhöhnt in
seiner Denkergröße des Lebemanns Erfahrungskitzel, erschließt
sich sinnend eine Welt, die für keinen sonst ist als ihn, und überholt
so jenen Weisheitsdünkel. Rei diesem leidigen Geblänker leiden
Wahrheit, Wissenschaft und Menschheit. Eine unglückselige Ge-
lehrtheit trennt die Menschen in Zuwenig- und Zuvielwisser. Nur
selten, und dann noch in teils schwachen, teils unglücklichen Ver-
suchen, wandelten sich die Hochschulen in ein dem Volkstum gün-
stiges Gebilde. Wohl waren sie durch das Zusammenhalten so
vieler großer Köpfe Lichtgestirne, und wieder Veranlasser der Fin-
sternis, weil sie alle Strahlen ausschließlich in Einen Brennpunkt
faßten, die Wissenschaften sich vorwärts in besondern Bahnen
bewegten, und das Weltleben wieder in eignen Kreisen blieb51. Nur
das Ab- und Zuwandern der Wißbegierigen bewahrte noch die
Hochschulen vor gänzlicher Klausner-Absonderung von der bürger-
lichen Gesellschaft. Weil aber bloß durch Zuhörer, die zu Jüngern
herangezogen sind, die Lehre gleich werktätig ins Leben eingreifen
50 Werke a. a. 0. 188ff.
51 Vgl. was F. Eulenburg in Äbh. der Sachs. Ges. der Wiss. 24, 2 (1904),
269 aus der Abnahme der deutschen Studentenzahl (von 7000 auf 5600) wäh-
rend des 18. Jhds. schließt: ,,Es spielten sich eben im Aufklärungszeitalter
die wesentlichsten Ereignisse geistiger Kultur außerhalb des deutschen Uni-
versitätslehens ab.“
 
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