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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0040
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40

Carl Brinkmann:

war aber auch derselbe, der nur acht Jahre später, gleich nach dem
Frieden, zum heftigsten Ankläger der freiheitlich-nationalen Stu-
dentenbewegung wurde.
Hiermit stimmen die Gegensätze der damals neu auflebenden
Universitätsreformliteratur vollständig überein. Im schärfsten
Widerspruch zu Napoleons schulmäßiger „Universite de France“
von 1808 bezeichnete Wilhelm v. Humboldts berühmte Denk-
schrift für die Universität Berlin es als Eigenart der deutschen
Hochschule, „die Wissenschaft immer als ein noch nicht ganz auf-
gelöstes Problem zu behandeln und immer im Forschen zu bleiben,
da die Schule es nur mit fertigen und abgemachten Kenntnissen zu
tun hat und lernt. Das Verhältnis zwischen Lehrer und Schüler
wird daher durchaus ein anderes als vorher. Der erstere ist nicht
für die letzteren, beide sind für die Wissenschaft da73.“ In den
Hauptzügen dieselbe ist. die Auffassung Sci-ileiermachers in seinen
“Gelegentlichen Gedanken über Universitäten in deutschem Sinn“
(Berlin 1808), die schon im Titel das nationale Moment betonen.
Gewiß ist es eine Art von „Dualismus“, die in seiner Vorstellung
dem Staat und dem „wissenschaftlichen Verein“ ein „verschiedenes
Interesse“ gibt74. Aber dieser „Dualismus“ verträgt doch nicht
nur, sondern fordert einen organischen Zusammenhang der staat-
lichen Unterrichtsanstalten, die von der Mittelschule über die Uni-
versität zur Akademie an die Stelle des gewöhnlichen gegenseitigen
Neides und Dünkels eine „gegründete gegenseitige Wertschätzung“
setzt75. „Unüberlegt handeln diejenigen, oder sind von einem un-
deutschen verderblichen Geiste angesteckt, die unseine Umbildung
und Zerstreuung der Universitäten in Spezialschulen vorschlagen.“
Bei jeder Reform hat der Staat vor allem „die Grenzen des recht-
mäßigen Einflusses, den ihm die Wissenschaft gestatten kann“, zu
achten. Das viel angegriffene System der Vorlesungen, der Fakul-
täten, der Promotionen, der akademischen Disziplinargewalt und
weiter als was Scharnhorst gemeint hatte: „löblich, wenn für Befreiung des
Vaterlandes von auswärtigen Unterdrückern, fluchwürdig, wenn dadurch
Zwecke im Innern ohne des Königs Willen durchgesetzt werden sollen“ (8. 11).
73 S. jetzt S. A. Kaeiiler, W. v. Humboldt und der Staat (1927),
231 u. 516.
74 Lenz, Univ. Berlin 1, 124f.
75 Neudruck bei E. Spranger, Fichte, Schleiermacher, Steffens über das
Wesen der Universität (Lpz. 1910) 131. Für das folgende ebd. 132, 139ff.,
175 ff.
 
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