Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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mehr öffnet sich auch hier wieder der Gegensatz zwischen dem
gouvernementalen Liberalismus des Staates und einem zugleich
revolutionären und konservativen Demokratismus des Volkes.
Ein scharfes Licht auf die persönlichen und sachlichen Span-
nungen dieses Verhältnisses wirft die undatierte, wahrscheinlich mit
seiner Mission nach Wien 1811 zusammenhängende Aufzeichnung
Scharnhorsts über seine Beziehungen zum Tugendbunde, worin
es heißt71: „Diese Gesellschaft bestand außer den[!] Prinz von
Hohenzollern aus gewöhnlichen Geschäftsmännern von der mitt-
leren Klasse und hatte nach ihrer gedruckten Verfassung den Zweck,
Tugend und Aufklärung zu befördern. Einige exaltierte Köpfe,
welche sich in dieser Gesellschaft aufnehmen ließen, wollten aus ihr
einen deutschen Freiheitsbund machen. Die Gesellschaft ließ sich
aber hierauf nicht ein, sondern blieb bei ihren Statuten . . . Ich
füge hier noch hinzu, daß ich es mir würde zur Ehre rechnen, in
dieser Gesellschaft gewesen zu sein, da ihr Zweck edel und groß
war, und daß ich die Anerbietung, in derselben[!] zu treten, nur
deshalb nicht annahm, weil ich voraussah, daß das Benehmen ein-
zelner Mitglieder nachteilige Gespräche von derselben erregen
würde, und die Vorsteher der Gesellschaft, obgleich achtungswerte
Männer in ihren[!] Fach, nach meiner Ansicht nicht geeignet waren,
eine Gesellschaft zu bilden und zu leiten.“ Dazu die später wieder
durchstrichenen Stellen: „Aus eben diesen[!] Grunde ist mein
Schwager Schmalz nie in dieselbe getreten. Auch gestatten meine
Dienstverhältnisse mich[!] nicht, ein tätiges Mitglied dieser zu
sein.“ Schmalz war der bekannte einstige „Direktor“ der Uni-
versität Halle und nachherige erste (nicht gewählte) Bektor und
(neben Savigny) einzige juristische Ordinarius der neuen Univer-
sität Berlin, die er ursprünglich, mit Fichte an Baclikalismus wett-
eifernd, unter „ganz freier Konkurrenz“ und Beseitigung sogar des
Universitätsnamens mit-der Akademie der Wissenschaften hatte
verschmelzen wollen: „Nur liberalere Formen, nur kein Magnificus,
keine Jurisdiktion, keine Zunft unter dem Namen Fakultät72!“ Es
71 Max Lehmann, Scharnhorst 2 (1887), 656f. Über die Mission jetzt
zusammenfassend W. Rohr in Forschungen zur Brandb. und Preuß. Gesch. 43
(1930), 76ff. Nach der bei H. Granier, Berichte aus der Berliner Franzosen-
zeit (Lpz. 1913) 411 gedruckten Liste der Berliner „Hauptkammer“ war die
Zusammensetzung auch dort ausgesprochen kleinbürgerlich.
72 Aus seinem Gutachten vom 22. Aug. 1807 bei Lenz, Univ. Berlin 1,107.
Seine berüchtigte Schrift „Über politische Vereine und ein Wort über Scharn-
horsts und meine Verhältnisse zu ihnen“ (Bin. 1816) sagte eigentlich nichts
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mehr öffnet sich auch hier wieder der Gegensatz zwischen dem
gouvernementalen Liberalismus des Staates und einem zugleich
revolutionären und konservativen Demokratismus des Volkes.
Ein scharfes Licht auf die persönlichen und sachlichen Span-
nungen dieses Verhältnisses wirft die undatierte, wahrscheinlich mit
seiner Mission nach Wien 1811 zusammenhängende Aufzeichnung
Scharnhorsts über seine Beziehungen zum Tugendbunde, worin
es heißt71: „Diese Gesellschaft bestand außer den[!] Prinz von
Hohenzollern aus gewöhnlichen Geschäftsmännern von der mitt-
leren Klasse und hatte nach ihrer gedruckten Verfassung den Zweck,
Tugend und Aufklärung zu befördern. Einige exaltierte Köpfe,
welche sich in dieser Gesellschaft aufnehmen ließen, wollten aus ihr
einen deutschen Freiheitsbund machen. Die Gesellschaft ließ sich
aber hierauf nicht ein, sondern blieb bei ihren Statuten . . . Ich
füge hier noch hinzu, daß ich es mir würde zur Ehre rechnen, in
dieser Gesellschaft gewesen zu sein, da ihr Zweck edel und groß
war, und daß ich die Anerbietung, in derselben[!] zu treten, nur
deshalb nicht annahm, weil ich voraussah, daß das Benehmen ein-
zelner Mitglieder nachteilige Gespräche von derselben erregen
würde, und die Vorsteher der Gesellschaft, obgleich achtungswerte
Männer in ihren[!] Fach, nach meiner Ansicht nicht geeignet waren,
eine Gesellschaft zu bilden und zu leiten.“ Dazu die später wieder
durchstrichenen Stellen: „Aus eben diesen[!] Grunde ist mein
Schwager Schmalz nie in dieselbe getreten. Auch gestatten meine
Dienstverhältnisse mich[!] nicht, ein tätiges Mitglied dieser zu
sein.“ Schmalz war der bekannte einstige „Direktor“ der Uni-
versität Halle und nachherige erste (nicht gewählte) Bektor und
(neben Savigny) einzige juristische Ordinarius der neuen Univer-
sität Berlin, die er ursprünglich, mit Fichte an Baclikalismus wett-
eifernd, unter „ganz freier Konkurrenz“ und Beseitigung sogar des
Universitätsnamens mit-der Akademie der Wissenschaften hatte
verschmelzen wollen: „Nur liberalere Formen, nur kein Magnificus,
keine Jurisdiktion, keine Zunft unter dem Namen Fakultät72!“ Es
71 Max Lehmann, Scharnhorst 2 (1887), 656f. Über die Mission jetzt
zusammenfassend W. Rohr in Forschungen zur Brandb. und Preuß. Gesch. 43
(1930), 76ff. Nach der bei H. Granier, Berichte aus der Berliner Franzosen-
zeit (Lpz. 1913) 411 gedruckten Liste der Berliner „Hauptkammer“ war die
Zusammensetzung auch dort ausgesprochen kleinbürgerlich.
72 Aus seinem Gutachten vom 22. Aug. 1807 bei Lenz, Univ. Berlin 1,107.
Seine berüchtigte Schrift „Über politische Vereine und ein Wort über Scharn-
horsts und meine Verhältnisse zu ihnen“ (Bin. 1816) sagte eigentlich nichts