Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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der französische Handelstribunalsrat Oppenheimer die Führerrolle
spielte) g’ilt, was Friedrich Gundolf von Berlin am Vorabend
der Romantik gesagt hat, daß ihre „Gesittung durch Franzosen
und Judenbestimmt“ war und daß sie als „Märkte“ „mit den Werten
der Aufklärung handelten97“. Aber auch wirtschaftlich ist die
Kriegskonjunktur durch die deutschen Juden bei der neuen Frei-
zügigkeit unzweifelhaft stark und auffällig ausgenützt worden. „Un
grand nombre de juifs des departements limitrophes du Rhin“,
berichtet der französische Polizeikommandant des besetzten Berlin
am 23. Juli 1808, „arrivent ä l’armee avec des passeports signes
de M. M. les Prefets, sous titre de Marchands et Gommercants, mais
la plupart de ces etres ne viennent que pour voler, tromper et
escroquer. II serait ä desirer que M. M. les Prefets n’accordent pas
de passeports ä cet effet qu’ä des gens tres connus98“.
Erste Anzeichen einer Reaktion auf dies alles in der studieren-
den Jugend traten bereits vor den Befreiungskriegen hervor. Das
Disziplinarverfahren des Berliner Medizinstudenten Joseph Le yser-
Brogi aus Posen, das Fichtes Rektorat mit so erbittertem Streit
erfüllte und schließlich vor der Zeit beendete, hatte unverkennbar
antisemitische Regungen im Hintergründe, obschon sich einerseits
die Raclaulust der kommentgerechten Gegner Brogis gleichzeitig
auch gegen das Nichtstudententum der Medizinhörer von der Pepi-
niere richtete und anderseits die Gruppe der duellgegnerischen
Studenten aus Fichtes Schule von einem deutsch-polnischen Adli-
gen und ehemaligen Frankfurter Studenten, v. Zimiecki, angeführt
wurde99.
Einen offenen Zusammenstoß auf geistigem Ciebiet brachte
dann schon das erste Friedensjahr 1814/15. Aus dem befreiten
Gießen, wo die mächtigen Persönlichkeiten des Lehrers Friedrich
Gottlieb Welcker und des Studenten Karl Füllen den Bur-
schenschaftskreis der „Schwarzen100“ zusammenhielten, und aus
97 Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwiss. u. Geistesgesch. 2 (1924),
425. Über die antisemitischen Schriften der Berliner Juristen C. L. Paalzow
und C. W. F. Grattenauer 1803f. vgl. Geiger, Gesch. der Juden in Berlin
(1871) 2, 301 ff.
98 Granier a. a. 0. 279. Aber auch in Berlin selbst hatte sich der be-
rühmte Bankier J. D. Itzig vor dem Kammergericht wegen Wuchers zu ver-
antworten, ebd. 212.
99 Lenz, Univ. Berlin 1, 408ff.
100 Hing die namengebende Tracht nicht irgendwie noch mit dem Har-
monistenorden (ob. Anm. 14) zusammen? Treitsciikes (D. G. 5, 738) Hin-
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der französische Handelstribunalsrat Oppenheimer die Führerrolle
spielte) g’ilt, was Friedrich Gundolf von Berlin am Vorabend
der Romantik gesagt hat, daß ihre „Gesittung durch Franzosen
und Judenbestimmt“ war und daß sie als „Märkte“ „mit den Werten
der Aufklärung handelten97“. Aber auch wirtschaftlich ist die
Kriegskonjunktur durch die deutschen Juden bei der neuen Frei-
zügigkeit unzweifelhaft stark und auffällig ausgenützt worden. „Un
grand nombre de juifs des departements limitrophes du Rhin“,
berichtet der französische Polizeikommandant des besetzten Berlin
am 23. Juli 1808, „arrivent ä l’armee avec des passeports signes
de M. M. les Prefets, sous titre de Marchands et Gommercants, mais
la plupart de ces etres ne viennent que pour voler, tromper et
escroquer. II serait ä desirer que M. M. les Prefets n’accordent pas
de passeports ä cet effet qu’ä des gens tres connus98“.
Erste Anzeichen einer Reaktion auf dies alles in der studieren-
den Jugend traten bereits vor den Befreiungskriegen hervor. Das
Disziplinarverfahren des Berliner Medizinstudenten Joseph Le yser-
Brogi aus Posen, das Fichtes Rektorat mit so erbittertem Streit
erfüllte und schließlich vor der Zeit beendete, hatte unverkennbar
antisemitische Regungen im Hintergründe, obschon sich einerseits
die Raclaulust der kommentgerechten Gegner Brogis gleichzeitig
auch gegen das Nichtstudententum der Medizinhörer von der Pepi-
niere richtete und anderseits die Gruppe der duellgegnerischen
Studenten aus Fichtes Schule von einem deutsch-polnischen Adli-
gen und ehemaligen Frankfurter Studenten, v. Zimiecki, angeführt
wurde99.
Einen offenen Zusammenstoß auf geistigem Ciebiet brachte
dann schon das erste Friedensjahr 1814/15. Aus dem befreiten
Gießen, wo die mächtigen Persönlichkeiten des Lehrers Friedrich
Gottlieb Welcker und des Studenten Karl Füllen den Bur-
schenschaftskreis der „Schwarzen100“ zusammenhielten, und aus
97 Deutsche Vierteljahrsschrift für Literaturwiss. u. Geistesgesch. 2 (1924),
425. Über die antisemitischen Schriften der Berliner Juristen C. L. Paalzow
und C. W. F. Grattenauer 1803f. vgl. Geiger, Gesch. der Juden in Berlin
(1871) 2, 301 ff.
98 Granier a. a. 0. 279. Aber auch in Berlin selbst hatte sich der be-
rühmte Bankier J. D. Itzig vor dem Kammergericht wegen Wuchers zu ver-
antworten, ebd. 212.
99 Lenz, Univ. Berlin 1, 408ff.
100 Hing die namengebende Tracht nicht irgendwie noch mit dem Har-
monistenorden (ob. Anm. 14) zusammen? Treitsciikes (D. G. 5, 738) Hin-