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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

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https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0053
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Der Nationalismus und die deutschen Universitäten. 53
rend dabei im Gegensatz zu den restaurierten westdeutschen Staa-
ten und auch Bayern und Sachsen die beiden Großmächte Öster-
reich und Preußen eine ausgesprochen judenfreundliche Haltung
entnahmen105, ging die höchste Welle des Antisemitismus (so über-
raschend, wenn auch notwendig, verschränkten sich auch hier
wieder die Dinge) von den Universitäten aus. An der Berliner,
der Hardenberg 1816 seinen Leibarzt Johann (vormals David)
Ferdinand Koreff als Ordinarius der Medizin nach langen Kämp-
fen aufdrängte, trat der Ordinarius der Geschichte, F. C. Rühs,
ein Schüler von Meiners (oh. Anm. 43) und Freund Arndts106,
mit seiner Schrift „Über die Ansprüche der Juden an das deutsche
Bürgerrecht“ hervor. Sie führte als Gründe gegen die Emanzi-
pation (die natürlich hier wie damals allgemein als Rechtsverleihung
an die fremde Religionsgemeinschaft verstanden wurde) außer
dem Erwähltheitsglauben und der Scheu vor produktiver Arbeit
auch die „aristokratische Verfassung“ der Synagoge an, die jede
„freie Entwicklung“ unterbinde. Dieser Schrift von Rühs widmete
Fries in den Heidelberger Jahrbüchern der Literatur eine so aus-
führliche und selbständige Besprechung, daß sie 1816 als besondere
Schrift „Über die Gefährdung des Wohlstandes und Charakters
der Deutschen durch die Juden“ erscheinen konnte. Er ging darin
im Unterschied von Rühs’ Vorschlag, das hergebrachte Schutz-
judentum wegen seiner wirtschaftlichen Unentbehrlichkeit beizu-
behalten, von einem gleichfalls liberal begründeten, sich gegen „phy-
sischen“ Rassenhaß ausdrücklich verwahrenden (S. 11) Radikalis-
mus aus, „Penns Maxime . . . welche gar keine positive Staats-
religion zum Gesetz macht“, aber eingeschränkt durch das „Prinzip
der Duldsamkeit, daß überhaupt niemand an Schutz und Frieden
unserer Staaten Anteil behalten soll, der nicht geeignet ist, volles

ia derartigen kleinen Verhältnissen zu gehen pflegt, engherziger als in den
monarchischen Staaten gestaltet.“
i°5 Hamburg, wo Metternichs Geschäftsträger in diesem Sinne
wirkte, s. E. Baasch, Hamburg 1815—1914 (1924) 1, 81’., für Hardenbergs
ähnlichen Druck auf Frankfurt s. Smidts Berichte bei Schavemer 1, 399ff.
106 Lenz. Univ. Berlin 1, 552fJ'., 2591'f., wo aber von dieser Betätigung
Rühs’ nichts gesagt ist. Die Vorrede zu der Sonderausgabe der (zuerst in
der Zeitschr. f. d. neueste Geschichte Febr. 1815 erschienenen) Schrift gesteht,
,,daß ich in früheren Jahren selbst jenen allgemeinen Humanitätsideen ge-
huldigt habe, womit man namentlich in Hinsicht auf die Duldung und Hoch-
schätzung sämtlicher Jüdischheit . . . uns von den Kathedern hernieder und
in der guten Gesellschaft um die Ohren klingelte“ (S. V).
 
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