Der Nationalismus und die deutschen Universitäten. 63
könne, die Freiheit, wohl zuweilen links und rechts aus dem Wege
heraus und über die Köpfe der Leute weg gehen können, wodurch
aber mehr die Bequemlichkeit als das Glück der Welt gestört wird.
Das bekennen wir aber frei, daß uns von allen Sterblichen die-
jenigen die verächtlichsten und abscheulichsten sind, welche die
stolze Freiheit aus Faulheit hassen“.
Es war die Tragik der ersten akademischen deutschen Jugend-
bewegung, daß Arndt ihre „Sprünge links und rechts aus dem
Wege heraus“ unterschätzt hatte. Freilich war das nicht in erster
Reihe ihre eigne Schuld. Nicht nur in der Verabschiedung des
Mohren, der seine Schuldigkeit getan hatte, lag für sie das tief
Erbitternde jener Jahre nach den Befreiungskriegen, sondern auch
darin, daß die Regierungen in grotesker Umkehrung aller Kriegs-
parolen jetzt sogar das Frankreich der Charte gegen die Einheits-
und Verfassungsgedanken der Freiheitskrieger auszuspielen be-
gannen. Man höre, wie der nunmehrige österreichische General-
konsul in Leipzig Adam Müller seinem Vorgesetzten, dem Dres-
dener Gesandten Grafen Bomrelles, über den Plan seiner Zeit-
schrift „Deutsche Staatsanzeigen“ berichtete119: „Ich glaubte ....
den diametral entgegengesetzten Charakter zwischen ständischer
Verfassung und dem durch Irrtümer des großen Montesquieu
veranlaßten Begriff der Volks- und Pöbel -Repräsentationen
vor allen Dingen grell und faßlich ans Licht stellen zu müssen.
Wenn ich die Gesinnung der deutschen Nation zum Vorteil gegen
die der französischen heraushebe, so werden Euer Exzellenz diese
Parteilichkeit gewiß nur auf das falsche Bestreben der französischen
Nation nach einer tadelnswürdigen gesellschaftlichen Gleichheit,
Uniformität und Nivellierung während der beiden letzten Jahr-
hunderte beziehn. Anderseits aber wird es ein Hauptgeschäft
meiner Zeitschrift sein, sich jener tiefen Unkenntnis des franzö-
sischen Geistes, der sich in den Schriften der Herrn Arndt, Rühs
und Consorten offenbart, entgegenzustellen und zu zeigen, was
Frankreich in der heiligen Angelegenheit der wahren Freiheit vor
allen andern europäischen Staaten geleistet.“ So schnell der Wirbel
der Zeit den eben noch von Ascher mit Arndt und Rühs zu-
sammengestellten Adam Müller auf ungefähr Aschers eignen
Standpunkt geführt hatte, so gleich war sich doch die Logik der
großen sachlichen Entscheidungen geblieben: Der Internationalis-
119 4. Apr. 1816 bei J. Baxa, Adam Müller (Jena 1921) 217f.
könne, die Freiheit, wohl zuweilen links und rechts aus dem Wege
heraus und über die Köpfe der Leute weg gehen können, wodurch
aber mehr die Bequemlichkeit als das Glück der Welt gestört wird.
Das bekennen wir aber frei, daß uns von allen Sterblichen die-
jenigen die verächtlichsten und abscheulichsten sind, welche die
stolze Freiheit aus Faulheit hassen“.
Es war die Tragik der ersten akademischen deutschen Jugend-
bewegung, daß Arndt ihre „Sprünge links und rechts aus dem
Wege heraus“ unterschätzt hatte. Freilich war das nicht in erster
Reihe ihre eigne Schuld. Nicht nur in der Verabschiedung des
Mohren, der seine Schuldigkeit getan hatte, lag für sie das tief
Erbitternde jener Jahre nach den Befreiungskriegen, sondern auch
darin, daß die Regierungen in grotesker Umkehrung aller Kriegs-
parolen jetzt sogar das Frankreich der Charte gegen die Einheits-
und Verfassungsgedanken der Freiheitskrieger auszuspielen be-
gannen. Man höre, wie der nunmehrige österreichische General-
konsul in Leipzig Adam Müller seinem Vorgesetzten, dem Dres-
dener Gesandten Grafen Bomrelles, über den Plan seiner Zeit-
schrift „Deutsche Staatsanzeigen“ berichtete119: „Ich glaubte ....
den diametral entgegengesetzten Charakter zwischen ständischer
Verfassung und dem durch Irrtümer des großen Montesquieu
veranlaßten Begriff der Volks- und Pöbel -Repräsentationen
vor allen Dingen grell und faßlich ans Licht stellen zu müssen.
Wenn ich die Gesinnung der deutschen Nation zum Vorteil gegen
die der französischen heraushebe, so werden Euer Exzellenz diese
Parteilichkeit gewiß nur auf das falsche Bestreben der französischen
Nation nach einer tadelnswürdigen gesellschaftlichen Gleichheit,
Uniformität und Nivellierung während der beiden letzten Jahr-
hunderte beziehn. Anderseits aber wird es ein Hauptgeschäft
meiner Zeitschrift sein, sich jener tiefen Unkenntnis des franzö-
sischen Geistes, der sich in den Schriften der Herrn Arndt, Rühs
und Consorten offenbart, entgegenzustellen und zu zeigen, was
Frankreich in der heiligen Angelegenheit der wahren Freiheit vor
allen andern europäischen Staaten geleistet.“ So schnell der Wirbel
der Zeit den eben noch von Ascher mit Arndt und Rühs zu-
sammengestellten Adam Müller auf ungefähr Aschers eignen
Standpunkt geführt hatte, so gleich war sich doch die Logik der
großen sachlichen Entscheidungen geblieben: Der Internationalis-
119 4. Apr. 1816 bei J. Baxa, Adam Müller (Jena 1921) 217f.