Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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übrigen juristischen Doktrinen bekümmern, sondern taten es mit
einigen Vorlesungen über Geschichte, Naturrecht, und was dahin
gehört, kurz ab, zufrieden, in den Burschenschaften ein Recht nach
ihrer Idee zu handhaben; und von den Philologen verließen viele
den Weg der gelehrten Forschungen und klassischen Studien, wel-
cher doch eigentlich der unserer Nation eigentümliche, von ihr mit
so vielem Ruhm betretene ist, um sich in den Spekulationen der
neueren Philosophie zu verlieren oder gar, nach Jahns Turnhuche,
sich auf den Turnplätzen als einstige Lehrer der Weisheit und
Erziehung der Jugend zu milder Sitte und zu einem auf Kennt-
nisse des Geistes und Bildung des Herzens beruhenden, beschei-
denen und anspruchslosen Leben vorzubereiten.“
Damit diese offenbar sehr gute Beobachtung aber nicht etwa
als Ausfluß eines subalternen Geistes entwertet werde, erinnere ich
an die sachlich ganz damit übereinstimmenden Worte Goethes in
dem schon eingangs angezogenen Annale für 1817 über den Über-
setzer der Iphigenie ins Neugriechische, Papadopulos: „Eine ganz
eigene Einwirkung auf längere Zeit empfand ich von der bedeuten-
den Anzahl in Jena und Leipzig studierender junger Griechen. Der
Wunsch, sich besonders deutsche Bildung anzueignen, war bei ihnen
höchst lebhaft sowie das Verlangen, allen solchen Gewinn dereinst
zur Aufklärung, zum. Heil ihres Vaterlandes zu verwenden. Ihr
Fleiß glich ihrem Bestreben; nur war zu bemerken, daß sie, was
den Hauptsinn des Lebens betraf, mehr von Worten als von klaren
Begriffen und Zwecken regiert wurden. Papadopulos, der mich
in Jena öfters besuchte, rühmte mir einst im jugendlichen Enthu-
siasmus den Lehrvortrag seines philosophischen Meisters123. Es
klingt, rief er aus, so herrlich, wenn der vortreffliche Mann von
Tugend, Freiheit und Vaterland spricht. Als ich mich aber
erkundigte, was denn dieser treffliche Lehrer eigentlich von Tu-
gend, Freiheit und Vaterland vermelde, erhielt ich zur Antwort:
das könne er so eigentlich nicht sagen, aber Wort und Ton klängen
ihm stets vor der Seele nach: Tugend, Freiheit und Vaterland“.
Wer Goethe kennt, weiß, daß hier vielleicht der Lehrer,
keineswegs aber der Schüler ironisiert ist124. Als die Worte niecler-
wohl eine Republik sein, sie muß es durchaus sein, denn der Monarch ist in
derselben ein Staatsbürger wie die Untertanen. Wiederum kann eine Demo-
kratie eine Despotie sein“.
123 Offenbar Fries, s. ob. Anm. 103.
124 Über seine Rührung im Gespräch mit dem schönen Wartburgredner
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 3. Abh.
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übrigen juristischen Doktrinen bekümmern, sondern taten es mit
einigen Vorlesungen über Geschichte, Naturrecht, und was dahin
gehört, kurz ab, zufrieden, in den Burschenschaften ein Recht nach
ihrer Idee zu handhaben; und von den Philologen verließen viele
den Weg der gelehrten Forschungen und klassischen Studien, wel-
cher doch eigentlich der unserer Nation eigentümliche, von ihr mit
so vielem Ruhm betretene ist, um sich in den Spekulationen der
neueren Philosophie zu verlieren oder gar, nach Jahns Turnhuche,
sich auf den Turnplätzen als einstige Lehrer der Weisheit und
Erziehung der Jugend zu milder Sitte und zu einem auf Kennt-
nisse des Geistes und Bildung des Herzens beruhenden, beschei-
denen und anspruchslosen Leben vorzubereiten.“
Damit diese offenbar sehr gute Beobachtung aber nicht etwa
als Ausfluß eines subalternen Geistes entwertet werde, erinnere ich
an die sachlich ganz damit übereinstimmenden Worte Goethes in
dem schon eingangs angezogenen Annale für 1817 über den Über-
setzer der Iphigenie ins Neugriechische, Papadopulos: „Eine ganz
eigene Einwirkung auf längere Zeit empfand ich von der bedeuten-
den Anzahl in Jena und Leipzig studierender junger Griechen. Der
Wunsch, sich besonders deutsche Bildung anzueignen, war bei ihnen
höchst lebhaft sowie das Verlangen, allen solchen Gewinn dereinst
zur Aufklärung, zum. Heil ihres Vaterlandes zu verwenden. Ihr
Fleiß glich ihrem Bestreben; nur war zu bemerken, daß sie, was
den Hauptsinn des Lebens betraf, mehr von Worten als von klaren
Begriffen und Zwecken regiert wurden. Papadopulos, der mich
in Jena öfters besuchte, rühmte mir einst im jugendlichen Enthu-
siasmus den Lehrvortrag seines philosophischen Meisters123. Es
klingt, rief er aus, so herrlich, wenn der vortreffliche Mann von
Tugend, Freiheit und Vaterland spricht. Als ich mich aber
erkundigte, was denn dieser treffliche Lehrer eigentlich von Tu-
gend, Freiheit und Vaterland vermelde, erhielt ich zur Antwort:
das könne er so eigentlich nicht sagen, aber Wort und Ton klängen
ihm stets vor der Seele nach: Tugend, Freiheit und Vaterland“.
Wer Goethe kennt, weiß, daß hier vielleicht der Lehrer,
keineswegs aber der Schüler ironisiert ist124. Als die Worte niecler-
wohl eine Republik sein, sie muß es durchaus sein, denn der Monarch ist in
derselben ein Staatsbürger wie die Untertanen. Wiederum kann eine Demo-
kratie eine Despotie sein“.
123 Offenbar Fries, s. ob. Anm. 103.
124 Über seine Rührung im Gespräch mit dem schönen Wartburgredner
Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1931/32. 3. Abh.
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