Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
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Staatskunst, Staatswirtschaft, Kriegskunst, öffentlichen Unter-
richt usw. umfassen und an die verschiedenen Ministerien verteilt,
werden sollen, werden ohne Zweifel nicht selten heilsame Ideen
wecken und verbreiten und zwar gerade an solchen Orten, wo sie
am leichtesten Früchte tragen können. Der Kaiser hat den Staats-
rat v. Kotzebue beauftragt, sie abzufassen, und dieser steht im
Begriff, mit einem ansehnlichen Gehalte sich nach Deutschland zu
begeben, um einen so ehrenvollen und Nutzen versprechenden Auf-
trag zu erfüllen147“. War Kotzebue so, anstatt „Spionage“ zu
treiben, in Wahrheit ein Werkzeug jener russischen Bemühungen
um westliche „Aufklärung“, die der ersten Friedensregierung Zar
Alexanders I. ihr Gepräge gaben148, so hieße es natürlich dennoch
das tiefere Gefüge sozialer und politischer Repräsentation und Sym-
bolik völlig verkennen, wollte man mit Treitschke (D. G. 2, 511)
von dem „Haß gegen die unbekannten Gegner der Burschenschaft
und des einen unteilbaren deutschen Freistaats“, von der Weisung
eines „bestimmten Ziels“ durch Ludens Polemik und davon reden,
daß „der frivole Schalk dem tugendstolzen Schwärmer wie das Ur-
bild aller Sünden des alten Geschlechts erschien, obwohl Sand von
ihm nichts kannte als ein paar Lustspiele und einige Wochenblatts-
artikel“. Nicht nur könnten an die Seite und an die Stelle der
Gegensatzpaare Alter—Jugend, Frivolität—Tugend noch andere
und tiefere gestellt werden, soviel man will. Sondern der tiefste und
hauptsächlichste Gegensatz wäre dadurch noch gar nicht berührt:
das, was Treitschke mit richtigem Gefühl, aber wiederum viel zu
engem historischen und systematischen Ausblick den „Größen-
wahnsinn“ und die „Todsünde des 19. Jahrhunderts“ nennt, der
chiliastische Erlösungsglaube an die staatliche und gesellschaftliche
Wirkung der Tat, besonders der des einzelnen oder kleinerer
Kreise, der seit den kalvinistischen und katholischen Monarcho-
machen, d. h. seit der beginnenden Ablösung des mittelalterlichen
147 Aus den Berliner Zensurakten bei Czygan a. a. O. 1, 134, von der
Forschung bisher anscheinend übersehen. C. Rabamy, Kotzebue (Paris 1893)
110 zieht mit Recht die Berichterstattung Diderots, Grimms u. a. über
Frankreich zum Vergleich heran. Auch der Ton des „Politisch-literarischen
Wochenblatts“ ging mindestens nicht allein auf Kotzebue zurück, wie sein
ungedruckter Brief vom 27. Juli 1817 an den Verleger Bertuch bei L. Geiger
A. D. B. 16, 773k zeigt: „Gern will ich Ihnen meine schwache Hand zur Züch-
tigung von allerlei Albernheiten bieten“, nur den „Mystizismus“ wolle er nicht
angreifen.
148 Vgl. meine Sturdza-Studie a. a. O. (ob. Anm. 142).
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Staatskunst, Staatswirtschaft, Kriegskunst, öffentlichen Unter-
richt usw. umfassen und an die verschiedenen Ministerien verteilt,
werden sollen, werden ohne Zweifel nicht selten heilsame Ideen
wecken und verbreiten und zwar gerade an solchen Orten, wo sie
am leichtesten Früchte tragen können. Der Kaiser hat den Staats-
rat v. Kotzebue beauftragt, sie abzufassen, und dieser steht im
Begriff, mit einem ansehnlichen Gehalte sich nach Deutschland zu
begeben, um einen so ehrenvollen und Nutzen versprechenden Auf-
trag zu erfüllen147“. War Kotzebue so, anstatt „Spionage“ zu
treiben, in Wahrheit ein Werkzeug jener russischen Bemühungen
um westliche „Aufklärung“, die der ersten Friedensregierung Zar
Alexanders I. ihr Gepräge gaben148, so hieße es natürlich dennoch
das tiefere Gefüge sozialer und politischer Repräsentation und Sym-
bolik völlig verkennen, wollte man mit Treitschke (D. G. 2, 511)
von dem „Haß gegen die unbekannten Gegner der Burschenschaft
und des einen unteilbaren deutschen Freistaats“, von der Weisung
eines „bestimmten Ziels“ durch Ludens Polemik und davon reden,
daß „der frivole Schalk dem tugendstolzen Schwärmer wie das Ur-
bild aller Sünden des alten Geschlechts erschien, obwohl Sand von
ihm nichts kannte als ein paar Lustspiele und einige Wochenblatts-
artikel“. Nicht nur könnten an die Seite und an die Stelle der
Gegensatzpaare Alter—Jugend, Frivolität—Tugend noch andere
und tiefere gestellt werden, soviel man will. Sondern der tiefste und
hauptsächlichste Gegensatz wäre dadurch noch gar nicht berührt:
das, was Treitschke mit richtigem Gefühl, aber wiederum viel zu
engem historischen und systematischen Ausblick den „Größen-
wahnsinn“ und die „Todsünde des 19. Jahrhunderts“ nennt, der
chiliastische Erlösungsglaube an die staatliche und gesellschaftliche
Wirkung der Tat, besonders der des einzelnen oder kleinerer
Kreise, der seit den kalvinistischen und katholischen Monarcho-
machen, d. h. seit der beginnenden Ablösung des mittelalterlichen
147 Aus den Berliner Zensurakten bei Czygan a. a. O. 1, 134, von der
Forschung bisher anscheinend übersehen. C. Rabamy, Kotzebue (Paris 1893)
110 zieht mit Recht die Berichterstattung Diderots, Grimms u. a. über
Frankreich zum Vergleich heran. Auch der Ton des „Politisch-literarischen
Wochenblatts“ ging mindestens nicht allein auf Kotzebue zurück, wie sein
ungedruckter Brief vom 27. Juli 1817 an den Verleger Bertuch bei L. Geiger
A. D. B. 16, 773k zeigt: „Gern will ich Ihnen meine schwache Hand zur Züch-
tigung von allerlei Albernheiten bieten“, nur den „Mystizismus“ wolle er nicht
angreifen.
148 Vgl. meine Sturdza-Studie a. a. O. (ob. Anm. 142).