Metadaten

Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1931/32, 3. Abhandlung): Der Nationalismus und die deutschen Universitäten im Zeitalter der deutschen Erhebung — Heidelberg, 1932

DOI Page / Citation link: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40161#0076
License: Free access  - all rights reserved
Overview
loading ...
Facsimile
0.5
1 cm
facsimile
Scroll
OCR fulltext
76

Carl Brinkmann:

organischen Yerbandslebens durch das neuzeitliche rationale Ver-
bindungsleben, immer wieder die Signatur der revolutionären Psy-
chologie gewesen war.
Gewiß hatte Kotzebue wohl seit seinem ältesten Zusam-
menstoß mit dem Logenliberalismus K. F. Bahrdts (vgl. ob.
Anm. 17 f.), und vollends seit seine Geschichte des Deutschen
Reichs die Romantisierung des Mittelalters bekämpft und sein
Wochenblatt die Reform und Disziplinierung der Universitäten im
Sinne ScuMALzens und Fichtes gefordert hatte, den Studenten wie
Professoren der Nationalbewegung als ein gegnerischer Führer ge-
golten149; aber inzwischen war doch auch seine publizistische Tätig-
keit im Russisch-Deutschen Volksblatt während der Freiheitskriege
bekannt genug geworden150. Lind diese Zweideutigkeit kehrte im
Überpersönlichen wieder: Als Sand in seinem Prozeß es für „nach-
gewiesen“ erklärt, daß Kotzebue „die Sinnesart gehabt, die deut-
sche Freiheit unter die Russen stellen zu wollen151“, gab er zweifellos
nur eine in Burschenschaftskreisen weit verbreitete Überzeugung
wieder; derselbe Mann aber hatte noch im Herbst vor seinem
Attentat seiner Mutter aus Jena geschrieben152: „Als ich hierher
zurückkam, war alles voll Kriegsgeschrei: es waren sprechende Zei-
chen da, daß die Franzosen über unsere Brüder, die noch in Frank-
reich stehen, herfallen wollten . . . Wenn wir es freilich auch be-
denken, so ist ja eben der Krieg nicht ein so großes Übel für Deutsch-
land. So lange wir Deutsche in unserem Lande wohnen, sind auch
nicht zehen Jahre verflossen, innerhalb derer die Deutschen alle
Frieden gehabt hätten, oder innerhalb derer nicht wenigstens ein-
zelne Stämme unseres deutschen Volkes in Kriege verwickelt ge-
wesen wären. Wenn wir bessere Aussichten uns wünschen; wenn
wir alle unsere vaterländischen Hoffnungen erreicht wissen wollen,
so darf uns eben auch nicht so sehr bangen vor einem Kriege, und
149 Das muß man aus der nachträglichen offen oder versteckt apolo-
getischen Literatur für Sand schließen, z. B. den „Aktenauszügen aus dem
Untersuchungsprozeß über C. L. Sand“ (Altenburg-Lpz. 1821), wo jenes
Material gegen Kotzebue einleitend zusammengestellt ist. Im selben Zu-
sammenhang veröffentlichte der Leipziger Philosoph L. W. Krug (Hegels
„Wasserkrug“) seine scharfe Antikritik „Über deutsches Universitätswesen mit
Rücksicht auf Kotzebues Literarisches Wochenblatt und gewaltsamen Tod“
bei Brockhaus „im April 1816“.
150 Czygan a. a. O. 1, 237.
151 Aktenauszüge 129.
152 Ende Nov. 1818 bei: C. L. Sand (ob. Anm. 130) 1787.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften