Der Nationalismus und die deutschen Universitäten.
77
harte Kriege sind immer noch besser als Volksumwälzungen“. Man
greift mit Händen, wie tief und echt diese Jugend das verhängnis-
volle Schicksal Deutschlands zwischen Osten und Westen im Her-
zen trug.
All das drängte zur ,,Tat“. Die berühmte Abhandlung „Todes-
stoß dem August von Kotzebue“, die sein Mörder auf der Reise
zum Attentat bei sich trug, enthielt die Worte153: „Aber der Mensch
soll auch diese Überzeugung bewähren, er soll leben und handeln,
er soll seine göttliche Schöpferkraft, seinen Willen, über uns geltend
machen. Dazu haben wir die ganze Macht des Willens empfangen,
nicht daß wir blindlings als über ein Stück Ackers über uns ent-
scheiden lassen, sondern daß wir uns in allen Lagen des Lebens
selbst bestimmen, und darin bezeiget sich alle Tugend, daß wir an
allem, was im Volke werden soll, selbsttätigen Anteil nehmen und
so nach eigener Entschließung tun, was wir alle wollen, nicht
was Einer aufdringt: Löset endlich Euern Willen!“ Zuweilen
freilich scheint auch hier ein Vorläufer des Sozialismus zu sprechen:
„Die Bürgertugend krümmt sich vor jedem Winke der Hoheit und
fährt mit der schon geballten Faust an den Geldsack. Knechtische
Faulheit zerfrißt unsere Knochen, Kühnheit und Heldenmut zeigen
sich in papierener Rüstung, und man hat den Gott vergessen, der
bekannt sein will mit Gebet und Tat“. Nicht umsonst scheint
Sands Mannheimer Grabhügel noch Jahrzehnte lang etwas wie ein
heimlicher Wallfahrtsort gewesen zu sein. Aber der überwiegende
Sinn seiner Prozeßaussagen ist doch154 formaldemokratisch und
willensmetaphysisch. „Allgemeine und gewöhnliche Äußerungen
waren, daß Kotzebue der Schandbube und Erzknecht, der
den Zustand der Feigheit und Schläfrigkeit zu befördern gesucht
habe, gewesen sei“. Daher, dem gemäßigten Liberalismus nicht
nur der Demagogenverfolger, sondern auch etwa eines Stein und
Gneisenau155 (trotz ihrer eignen Vergangenheit) gewiß besonders
anstößig, das Wiederauftauchen eines ethischen Hauptmotivs aus
demReformations- und Gegenreformationsjahrhundert: „DerZweck
heiligt die Mittel. Dieser Satz fand in Sand einen starken Ver-
teidiger, insofern er bemerkte, der Grundsatz sei weder gefährlich
153 Aktenauszüge 139. Das folgende ebd. 138, 128, 218.
154 Vgl. bei Lenz, Univ. Berlin 2, 61 das Überwiegen des Adels in der
Sand freundlichen Berliner Montagsgesellschaft um den Burschenschafter
und Hauptmann v. Plehwe.
155 S. meine Sturd.zastudie 88, 90.
77
harte Kriege sind immer noch besser als Volksumwälzungen“. Man
greift mit Händen, wie tief und echt diese Jugend das verhängnis-
volle Schicksal Deutschlands zwischen Osten und Westen im Her-
zen trug.
All das drängte zur ,,Tat“. Die berühmte Abhandlung „Todes-
stoß dem August von Kotzebue“, die sein Mörder auf der Reise
zum Attentat bei sich trug, enthielt die Worte153: „Aber der Mensch
soll auch diese Überzeugung bewähren, er soll leben und handeln,
er soll seine göttliche Schöpferkraft, seinen Willen, über uns geltend
machen. Dazu haben wir die ganze Macht des Willens empfangen,
nicht daß wir blindlings als über ein Stück Ackers über uns ent-
scheiden lassen, sondern daß wir uns in allen Lagen des Lebens
selbst bestimmen, und darin bezeiget sich alle Tugend, daß wir an
allem, was im Volke werden soll, selbsttätigen Anteil nehmen und
so nach eigener Entschließung tun, was wir alle wollen, nicht
was Einer aufdringt: Löset endlich Euern Willen!“ Zuweilen
freilich scheint auch hier ein Vorläufer des Sozialismus zu sprechen:
„Die Bürgertugend krümmt sich vor jedem Winke der Hoheit und
fährt mit der schon geballten Faust an den Geldsack. Knechtische
Faulheit zerfrißt unsere Knochen, Kühnheit und Heldenmut zeigen
sich in papierener Rüstung, und man hat den Gott vergessen, der
bekannt sein will mit Gebet und Tat“. Nicht umsonst scheint
Sands Mannheimer Grabhügel noch Jahrzehnte lang etwas wie ein
heimlicher Wallfahrtsort gewesen zu sein. Aber der überwiegende
Sinn seiner Prozeßaussagen ist doch154 formaldemokratisch und
willensmetaphysisch. „Allgemeine und gewöhnliche Äußerungen
waren, daß Kotzebue der Schandbube und Erzknecht, der
den Zustand der Feigheit und Schläfrigkeit zu befördern gesucht
habe, gewesen sei“. Daher, dem gemäßigten Liberalismus nicht
nur der Demagogenverfolger, sondern auch etwa eines Stein und
Gneisenau155 (trotz ihrer eignen Vergangenheit) gewiß besonders
anstößig, das Wiederauftauchen eines ethischen Hauptmotivs aus
demReformations- und Gegenreformationsjahrhundert: „DerZweck
heiligt die Mittel. Dieser Satz fand in Sand einen starken Ver-
teidiger, insofern er bemerkte, der Grundsatz sei weder gefährlich
153 Aktenauszüge 139. Das folgende ebd. 138, 128, 218.
154 Vgl. bei Lenz, Univ. Berlin 2, 61 das Überwiegen des Adels in der
Sand freundlichen Berliner Montagsgesellschaft um den Burschenschafter
und Hauptmann v. Plehwe.
155 S. meine Sturd.zastudie 88, 90.