Metadaten

Güntert, Hermann; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 1. Abhandlung): Labyrinth: eine sprachwissenschaftliche Untersuchung — Heidelberg, 1932

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40163#0020
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
loading ...
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
14

Hermann Güntert:

nischen, griechischen Ortsnamen (wie Μυκήνη, Ά-9-ήνη, Μυτιλήνη,
Πεφήνη, Κυλλήνη usw.).1 Sachlich ist bemerkenswert, daß in Tirol
sehr früh Bergbau getrieben wurde, und daß unser Wort auch hier
wieder mit unterirdischen Gängen und Bergwerksanlagen begrifflich
gebunden ist, zeigt die Sage vom Zwergkönig Laurin, dessen Name
also von diesem oder einem ähnlichen Ortsnamen stammt. Er ist
durchaus von mittelhochd. lüren zu trennen, und jetzt erst ist deut-
lich, warum in diesem Eigennamen au vor r erhalten ist. Wir
haben hier die typische Sage eines «Steinlandes»: Motive von der
Versteinerung der Zwerge bei Sonnenlicht, vom Rosengarten als dem
elbischen Totenland2, wozu die märchenhafte Rotfärbung des
Dolomitengesteins bei Sonnenauf- und -Untergang ihre örtliche
Sonderform bestimmte, sind mit Bergmannssagen von Steingrotten,
Tropfsteinhöhlen, Schächten und Schätzen im Berginneren in der
Lauringeschichte verschmolzen. Der hohle Berg, in dem Laurin
wohnt, und in den er Künhild raubt, ist nach Angabe des Ge-
dichtes vom Rosengarten eine Tagesreise entfernt. Daß eine Jung-
frau in ein solches Steinverlies im Elbenreich entführt wird, ist ein
weitverbreitetes Motiv der Volkssage; vielleicht ist ferner das Motiv
von einem Faden bemerkenswert, weil es sich auch in der Ariadne-
sage vom Labyrinth, wenn freilich in ganz verschiedener Verwen-
dung, vorfindet, hier das Knäuel, das zur Errettung aus den Irr-
gängen hilft, dort der seidene Faden, der das Elbengebiet umhegt.
IO. Aber nicht nur aus dem Alpengebiet, sondern auch auf
keltischem Boden treffen wir den in Rede stehenden Wortstamm
an. Den Übergang mag schweizer, lave «Schichte glatter Steine»,
provenzal. lavo, lauvo «flacher Stein», Jauvas, lauvasso, lausas «großer,
platter Stein», limusin. lavencho «Steinfliese» bilden, wobei wir noch-
mals an Lava und Lawine erinnern (s. o. § 8). Daß lausiae auch
gallisch war, zeigen französische Ableitungen; so ein mit der wohl-
bekannten gallischen Ableitungssilbe -ink- versehenes, seit dem
13. Jahrh. bezeugtes Wort losengie «rautenförmig» (vgl. dazu sach-
lich das Mäanderornament, das auf das Labyrinth bezogen wurde),
seit dem 14. Jahrh. losange «Rhombus, verschrobenes Quadrat»,
übertr. «halblanger Ton». Ferner ist der Ortsname Lausanne hier
anzuschließen.3 Besonders interessant aber ist französisch losange
1 Auch das felsige Laurana wird nach dem Gestein und nicht nach den
gelegentlichen Lorbeerhainen benannt sein.
2 Vgl. dazu Verf. Kalypso, 1919, 82ff.
3 Vgl. Gamillscheg Franz, et. Wb. 570. Dazu lacus Lausonius (Itiner. Anton.
348,2) «Genfer See», Lausea, heute Luzy (Holder Altkelt. Sprachsch. II, 163) u. a.
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften