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Fraenkel, Eduard; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1932/33, 2. Abhandlung): Das Pindargedicht des Horaz — Heidelberg, 1933

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https://doi.org/10.11588/diglit.40164#0024
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Eduard Frae.nkel:

zu wehren hat, auf das willkürlichste. Willkürlich, weil nur auf
einen einzigen Wesenszug gerichtet, ist nun aber auch die ais
Gegenbild zur pindarischen gegebene Kennzeichnung seiner eigenen
poetischen Weise (V. 27ff.). Denn bei den schönen Versen über die
Matinerbiene läßt sich, wenn man von der Bescheidenheit der Wer-
tung absieht, zwar an viele charakteristische Gedichte des Horaz
denken, keinesfalls aber an Lieder von dem Schwergewicht und
dem inneren Anspruch der ccirmina non prius audita, die der Musen-
priester für die Jugend Roms singt, oder an das carmen saeculare
und was sonst dieser Sphäre angehört. Ganz unverträglich wäre
mit der hier im Gegensatz zu Pindar gegebenen Selbstcharakteristik
jeder Gedanke an die so leidenschaftlich erstrebte wie behauptete
Würde des Romancie fidicen lyrae. Das was Horaz hier von seinem
dichterischen Bilden aussagt, stammt aus tiefer Kenntnis der
eigenen Natur und will durchaus ernst genommen werden1, es
bezeichnet vielleicht sogar die Eigentümlichkeit, die er selbst für
das Wesenhafteste seiner Kunst hielt, aber gemäß der in diesen
Strophen auf die Spitze getriebenen Antithetik und ihrer ειρωνεία
(vgl. S. 19), das heißt der προσπο'ίησις επί τό έλαττον, ist der
Geltungsbereich der Aussage begrenzt: aus ihr den gesamten Um-
fang und jeden Anspruch der horazischen Lyrik ableiten zu wollen
wäre wider den Sinn des Dichters. "In jeder Horazischen Ode’ so
hatte Herder gemahnt2, "suche dir, mein Freund, die geistige
Situation auf, die der Dichter darstellen und beleben wollte; suche
in ihr seinen Standpunkt, seine Laufbahn, sein Ziel!’. Das Ziel
liegt in diesem Falle ganz klar auch vor unseren Augen: Horaz
will — äußerlich gesprochen — nicht in die Lage kommen ein Epini-
kion auf Augustus zu dichten, will -— tiefer betrachtet — nichts
auf sich nehmen, was ihm eine für ihn menschlich unmögliche Hal-
tung abnötigte. Mit diesem Ziel und dieser "geistigen Situation’ ist
auch der "Standpunkt’ des Dichters und seine "Laufbahn’ im Fort-
gange des Gedichts gegeben: er stellt was er zu vermeiden wünscht
als ein Verbot dar, das ihm vom Gesetz seiner dichterischen Natur
auferlegt wird. Und als Ergänzung dazu erhöht er das, was die
anderen angeblich von ihm erwarten, zu einem Wagnis von sagen-
hafter Gefährlichkeit und rückt es — wenigstens zunächst — mit
dem Ausdruck aemulari in ein bedenkliches Licht.
1 Keine Gegeninstanz bildet die bekannte Tatsache, daß die Übertragung
des Bildes von der Biene auf den Dichter schon für Horaz ein uralter Gemein-
platz ist.
2 S. oben S. II.
 
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