60
Claudius Frh. v. Schwerin:
auch bei den Feuerordalien das furtum erwähnt wird, so ist das
Gesamtbild doch ein wesentlich anderes. Weder wird dem Ordal
die besondere Richtung auf das furtum zugeschrieben, noch tritt
dieses in den Gebeten und Adjurationen in gleicher Weise in den
Vordergrund.
Diese Verschiedenheit des Zweckes berührt sich mit einem ande-
ren wesentlichen Tatbestand, auf die zum Schluß hinzuweisen ist.
Es gab ausweislich der Rituale im Gesamtbereich des fränki-
schen Reichs, dem alle diese angehören, eine ganz erhebliche
Zahl von Gottesurteilen. Die Reihe der zu Beginn schon genannten
Ordale vermehrt sich sogar um die noch näherer Untersuchung be-
dürftigen besonderen Arten des Kaltwasserurteils1. Diese Vielfältig-
keit der Formen in den Ritualen geht aber über den Kreis der Gottes-
urteile hinaus, die wir aus den profanen Rechtsquellen kennen.
So fehlt diesen in fränkischer Zeit der Probebissen, das Ordal
des hängenden Kessels und das des hängenden Psalters. Das
Kaltwasserordal ist nur einmal erwähnt, so daß jedenfalls das Vor-
handensein verschiedener Arten nicht zu ersehen wäre, das examen
in mensuris jedenfalls nicht unter diesem Namen, falls man in
ihm mit Brunner ein Losordal sieht2. Auch dieser Unterschied der
Überlieferung läßt vermuten, daß das Gottesurteil nicht nur im
profanen Rechtsgang, sondern auch außerhalb seiner im Gebrauch
war. Legte man auf das Schweigen der Rechtsquellen geringeres
Gewicht, so müßte mindestens mit der Möglichkeit gerechnet wer-
den, daß es solche nur außerprozessualen Gottesurteile gab.
Dieser Tatbestand ist für alle Untersuchungen über das Gottes-
urteil als prozessuales Beweismittel von weittragender Bedeutung,
wenngleich die bisherige Literatur ihn zwar gekannt, aber kaum
verwertet hat. Denn damit verliert das vielfach verwendete Argu-
ment an Kraft, daß den Germanen Gottesurteile schon deshalb
bekannt gewesen sein müssen, weil sie bei verwandten Völkern in
Übung waren. Ist doch diesem Argument, sofern man ihm über-
haupt Bedeutung beimessen will, schon dann Genüge getan, wenn
auch nur außerhalb des Prozesses von Gottesurteilen Gebrauch
gemacht wurde. Das Vorkommen von Gottesurteilen bei ver-
wandten Völkern ließe es zwar auffällig erscheinen, wenn die
Germanen das Gottesurteil überhaupt nicht gekannt hätten,
zwingt aber nicht zu der Annahme, daß sie es im Rechtsgang
verwendeten. Vor allem aber muß die Betonung des Unterschiedes
1 S. oben S. 47 Anm. 1.
2 A. S. 5 Anm. 1 a. O.
Claudius Frh. v. Schwerin:
auch bei den Feuerordalien das furtum erwähnt wird, so ist das
Gesamtbild doch ein wesentlich anderes. Weder wird dem Ordal
die besondere Richtung auf das furtum zugeschrieben, noch tritt
dieses in den Gebeten und Adjurationen in gleicher Weise in den
Vordergrund.
Diese Verschiedenheit des Zweckes berührt sich mit einem ande-
ren wesentlichen Tatbestand, auf die zum Schluß hinzuweisen ist.
Es gab ausweislich der Rituale im Gesamtbereich des fränki-
schen Reichs, dem alle diese angehören, eine ganz erhebliche
Zahl von Gottesurteilen. Die Reihe der zu Beginn schon genannten
Ordale vermehrt sich sogar um die noch näherer Untersuchung be-
dürftigen besonderen Arten des Kaltwasserurteils1. Diese Vielfältig-
keit der Formen in den Ritualen geht aber über den Kreis der Gottes-
urteile hinaus, die wir aus den profanen Rechtsquellen kennen.
So fehlt diesen in fränkischer Zeit der Probebissen, das Ordal
des hängenden Kessels und das des hängenden Psalters. Das
Kaltwasserordal ist nur einmal erwähnt, so daß jedenfalls das Vor-
handensein verschiedener Arten nicht zu ersehen wäre, das examen
in mensuris jedenfalls nicht unter diesem Namen, falls man in
ihm mit Brunner ein Losordal sieht2. Auch dieser Unterschied der
Überlieferung läßt vermuten, daß das Gottesurteil nicht nur im
profanen Rechtsgang, sondern auch außerhalb seiner im Gebrauch
war. Legte man auf das Schweigen der Rechtsquellen geringeres
Gewicht, so müßte mindestens mit der Möglichkeit gerechnet wer-
den, daß es solche nur außerprozessualen Gottesurteile gab.
Dieser Tatbestand ist für alle Untersuchungen über das Gottes-
urteil als prozessuales Beweismittel von weittragender Bedeutung,
wenngleich die bisherige Literatur ihn zwar gekannt, aber kaum
verwertet hat. Denn damit verliert das vielfach verwendete Argu-
ment an Kraft, daß den Germanen Gottesurteile schon deshalb
bekannt gewesen sein müssen, weil sie bei verwandten Völkern in
Übung waren. Ist doch diesem Argument, sofern man ihm über-
haupt Bedeutung beimessen will, schon dann Genüge getan, wenn
auch nur außerhalb des Prozesses von Gottesurteilen Gebrauch
gemacht wurde. Das Vorkommen von Gottesurteilen bei ver-
wandten Völkern ließe es zwar auffällig erscheinen, wenn die
Germanen das Gottesurteil überhaupt nicht gekannt hätten,
zwingt aber nicht zu der Annahme, daß sie es im Rechtsgang
verwendeten. Vor allem aber muß die Betonung des Unterschiedes
1 S. oben S. 47 Anm. 1.
2 A. S. 5 Anm. 1 a. O.