Römischer und christlicher Reichsgedanke.
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geht, miteinander in enge Berührung gekommen sind. Ehe ich die
Rückwirkungen dieses historischen Vorgangs in den alten Meß-
gebeten zu zeigen versuche, muß ich des Zusammenhangs wegen
eine ganz kurze Skizze von der Entwicklung der römischen und
der christlichen Reichsidee und ihrer Synthese geben.
Die Geschichte des römischen Reichsgedankens hat ihren Ur-
sprung im Bereich des griechischen Geistes. Dort erwuchs die Idee
von der inneren Zusammengehörigkeit der gesitteten Menschheit
durch die Teilhabe an der Vernunft, dort kam man unter dem
bewegenden Eindruck des Alexanderreiches zum Bewußtsein der
universalen Mission der griechischen Kultur, die als Menschheits-
kultur überhaupt zu gelten begann. Ihren Bereich allein nannte
man noch Ökumene oder orbis terrarum, an dessen Rändern bar-
barische Wildheit herrscht1.
Griechen waren es dann auch, die zuerst das sich ausbreitende
Römerreich mit der Ökumene in diesem Sinne gleichsetzten. Pan-
aitios, das Haupt der mittleren Stoa, hat selbst solche Gedanken
in den einflußreichen Kreis des jüngeren Scipio getragen und die
sittliche Rechtfertigung des i?nperium Romanum theoretisch gege-
ben. Ihm war der römische Imperialismus nicht mehr bloß Er-
gebnis brutalen Machtstrebens, sondern er erschien ihm als Eini-
gung der Kulturvölker, als Errichtung der Herrschaft der Bes-
seren über die Geringeren und als Ausbreitung der Gerechtigkeit
im menschlichen Gemeinschaftsleben. Ja, das Wachsen und Wir-
ken des Reiches und seiner Kultur wurde von den Stoikern als
Sendung des römischen Volkes und als Ziel der menschlichen Heils-
geschichte angesehen. Die Stoa beeinflußte stark und dauernd die
politische und geistige Oberschicht Roms. Seit Sulla etwa ist der
römischen Literatur die Gleichung orbis Romanus und Ökumene
geläufig2. Der römische Reichsgedanke wurde dann wesentlich
durch die universalmonarchischen Ideen des Ostens bereichert und
ergänzt, wie es etwa schon die berühmte vierte Ekloge Vergils
1 Vgl. J. Ka.eb.st, Die antike Idee der Oekumene in ihrer politischen und
kulturellen Bedeutung (1903) und Ders., Geschichte des Hellenismus I3 (1927),
494f. und 498ff.; R. Reitzenstein, Werden und Wesen der Humanität im
Altertum (1907).
2 Vgl. J. Vogt, Orbis Romanus, Philos. und Gesch. XXII (1929), 9ff.;
W. Capelle, Griechische Ethik und römischer Imperialismus, Klio XXV
(1932), 86ff.; W. Siegfried, Studien zur geschichtlichen Anschauung des
Polybios (1928), S. 94ff.; F. Kampers, Roma aeterna et sancta dei ecclesia
rei publicae Romanorum, Hist. Jb. XLIV (1924), 240.
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geht, miteinander in enge Berührung gekommen sind. Ehe ich die
Rückwirkungen dieses historischen Vorgangs in den alten Meß-
gebeten zu zeigen versuche, muß ich des Zusammenhangs wegen
eine ganz kurze Skizze von der Entwicklung der römischen und
der christlichen Reichsidee und ihrer Synthese geben.
Die Geschichte des römischen Reichsgedankens hat ihren Ur-
sprung im Bereich des griechischen Geistes. Dort erwuchs die Idee
von der inneren Zusammengehörigkeit der gesitteten Menschheit
durch die Teilhabe an der Vernunft, dort kam man unter dem
bewegenden Eindruck des Alexanderreiches zum Bewußtsein der
universalen Mission der griechischen Kultur, die als Menschheits-
kultur überhaupt zu gelten begann. Ihren Bereich allein nannte
man noch Ökumene oder orbis terrarum, an dessen Rändern bar-
barische Wildheit herrscht1.
Griechen waren es dann auch, die zuerst das sich ausbreitende
Römerreich mit der Ökumene in diesem Sinne gleichsetzten. Pan-
aitios, das Haupt der mittleren Stoa, hat selbst solche Gedanken
in den einflußreichen Kreis des jüngeren Scipio getragen und die
sittliche Rechtfertigung des i?nperium Romanum theoretisch gege-
ben. Ihm war der römische Imperialismus nicht mehr bloß Er-
gebnis brutalen Machtstrebens, sondern er erschien ihm als Eini-
gung der Kulturvölker, als Errichtung der Herrschaft der Bes-
seren über die Geringeren und als Ausbreitung der Gerechtigkeit
im menschlichen Gemeinschaftsleben. Ja, das Wachsen und Wir-
ken des Reiches und seiner Kultur wurde von den Stoikern als
Sendung des römischen Volkes und als Ziel der menschlichen Heils-
geschichte angesehen. Die Stoa beeinflußte stark und dauernd die
politische und geistige Oberschicht Roms. Seit Sulla etwa ist der
römischen Literatur die Gleichung orbis Romanus und Ökumene
geläufig2. Der römische Reichsgedanke wurde dann wesentlich
durch die universalmonarchischen Ideen des Ostens bereichert und
ergänzt, wie es etwa schon die berühmte vierte Ekloge Vergils
1 Vgl. J. Ka.eb.st, Die antike Idee der Oekumene in ihrer politischen und
kulturellen Bedeutung (1903) und Ders., Geschichte des Hellenismus I3 (1927),
494f. und 498ff.; R. Reitzenstein, Werden und Wesen der Humanität im
Altertum (1907).
2 Vgl. J. Vogt, Orbis Romanus, Philos. und Gesch. XXII (1929), 9ff.;
W. Capelle, Griechische Ethik und römischer Imperialismus, Klio XXV
(1932), 86ff.; W. Siegfried, Studien zur geschichtlichen Anschauung des
Polybios (1928), S. 94ff.; F. Kampers, Roma aeterna et sancta dei ecclesia
rei publicae Romanorum, Hist. Jb. XLIV (1924), 240.