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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0014
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Gerd Tellenbach:

offenbar macht. Neben anderen hat Ed. von Norden gezeigt, wie
der Sieg des Augustus eine — allerdings nur zeitweilige-— Reaktion
des RÖmertums auf den überhandnehmenden hellenistischen Uni-
versalismus bedeutet. Aber der orbis terrarum war und blieb das
imperium Romanum. Die Menschheit ist nicht mehr nur durch
gemeinsame Gesittung und Kultur geistige Einheit, sie ist durch
die staatliche Macht Roms ein einziges imperium geworden1.
Das Universalitätsbewußtsein des Christentums knüpfte an
das jüdische an. Harnack hat, auf Schürer und Hehn fußend,
dargelegt, daß die ursprünglich so innig mit dem Volkstum ver-
bundene jüdische Religiosität zur Zeit der großen Judenmissionen
durch innere Umbildung bereits entschränkt war, daß der Jude
fühlte, daß er der Welt etwas zu sagen habe und etwas bringen
müsse, was die ganze Menschheit angehe, den einen geistigen Gott.
Und -—- wenigstens im Heidenchristentum —- war man nie zweifel-
haft darüber, daß Christus für alle Menschen auf Erden erschienen
sei, und diese Überzeugung fand leicht Aufnahme in der hellenisti-
schen Welt, die an die Teilnahme aller an Gott und der Weltver-
nunft glaubte2. Daß die christliche Kirche universal sei und den
ganzen orbis terrarum zu ihrem Bereiche habe, ist der christlichen
Literatur selbstverständlich und findet auch in zahlreichen litur-
gischen Formeln Ausdruck3. Ich begnüge mich, das Karfreitags-
gebet für die Kirche anzuführen, das offenbar noch in der Zeit der
Christenverfolgungen entstanden ist; es lautet: Omnipotens sem-
piterne deus, qui gloriam tuam omnibus in Christo gentibus revelasti,
custodi opera misericordiae tuae, ut ecclesia toto orbe diffusa stabili
1 Vgl. Kaerst, Hellenismus II2 (1926), 296ff.; W. Weber, Zur Ge-
schichte der Monarchie (1919); E. v. Norden, Die Geburt des Kindes. Ge-
schichte einer religiösen Idee (1924), S. 155f., aber auch schon E. Kornemann,
Zur Geschichte der antiken Herrsch er kulte, Klio I (1902), 96; W. Weber,
Der Prophet und sein Gott. Eine Studie zur vierten Ekloge Virgils (1925).
2 Vgl. A. v. Harnack, Die Mission und Ausbreitung des Christentums
in den ersten drei Jahrhunderten I (1923), 14; E. Schürer, Geschichte des
jüdischen Volkes im Z.A. Jesu Christi II4 (1907), 582ff.; J. Hehn, Die biblische
und babylonische Gottesidee (1913), S. 359ff.; Ed. Meyer, Ursprung und An-
fänge des Christentums II (1921), 17ff.; Marg. Bolwin, Die christlichen Vor-
stellungen vom Weltberuf der Roma aeterna bis auf Leo d. Gr. Ungedr. Diss.
phil. Münster 1923, S. 25.
3 Vgl. Vogt, a. a. O., S. 29: ,,Die Aneignung der Vorstellung vom
römischen Erdkreis in der Terminologie der christlichen Kirche zum Ausdruck
gekommen...“ Vgl. neuestens auch W. Köhler, Die deutsche Kaiseridee
am Anfang des 16. Jahrhunderts, HZ CNLIX (1933), 38ff.
 
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