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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0016
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10

Gerd Tellenbach:

Gebet, das sehr vielen Messen für Kaiser oder Könige eigen ist,
und das auch mit einer Stelle des berühmten 82. Sermons Leos des
Großen zusammenklingt, tritt er am klarsten hervor: Deus qui
praedicando aeterni regis evangelio Romanum Imperium praeparasti,
praetende famulis tuis Ulis principibus nostris arma caelestia, ui pax
ecclesiarum nulla turbetur tempestate bellorum* 1.
Obgleich diese beschränkte, heilsgeschichtliche Wertung des
Imperium Romanum aus religiösen Gründen in der christlichen
Gedankenwelt lebendig blieb, so wurde doch daneben seit Kon-
stantin dem Großen die Überzeugung herrschend, daß der orbis
Christianus sich mit dem orbis Romanus decke. Eine reale Folge
davon war es, daß die christliche Missionstätigkeit sich seitdem
mehr und mehr auf das römische Reichsgebiet beschränkt zu haben
scheint. Das Eindringen römischer Vorstellungen in kirchliche
Kreise wurde wesentlich dadurch befördert, daß Angehörige vor-
nehmer Familien, in denen die alten Traditionen geliebt und ge-
pflegt wurden — ich nenne bloß Ambrosius, Leo den Großen,
Gregor den Großen — zu führender Stellung in der Kirche gelang-
ten. Für sie gingen die Vorstellungen vom christlichen und römi-
schen Universalismus in eins über. Papst Leo schrieb z. B., das
oekumenische Konzil von Chalcedon sei von allen Provinzen des
gesamten Reiches mit Zustimmung der ganzen Welt gefeiert wor-
den. Damit ist das römische Reich als Kern der christlichen Oeku-
mene anerkannt2.
comm. in Michaeam I, 4 (Migne XXV, 1188): Postquam autem Imperium
Christi, singulare Imperium Roma sortita est, apostolorum itineri pervius factus
est orbis, et apertae sunt eis portae urbium et ad praedicationem unius dei singu-
lare imperium constitutum est; Augustin, de civ. dei XVIII 22 (ed. Ei. Hoff-
mann, Gsel XL 2, 296). - Vgl- ferner J. Hartung, Die Lehre von der Welt-
herrschaft im M.A., Diss. Halle 1909, S. 22.
1 Vgl. u. S. 55 nr. 5. Die Stelle in Leos d. Gr. sermo LXXXII (Migne
LIV, 423) lautet: Ut autem huius inenarrabilis gratiae per totum mundum dij-
funderetur effectus, Romanum regnum divina providentia praeparavit. Vgl.
dazu E. Caspar, Geschichte des Papsttums I (1930), 558. Ob der Sermon
an das Gebet oder umgekehrt das Gebet an den Sermon anldingt, vermag
ich nicht zu entscheiden. Jedenfalls ist das Gebet, wie der Schluß unmißver-
ständlich sehen läßt, in der nachkonstantinischen Zeit entstanden. Es ist
übrigens, soweit ich sehe, in der historischen Literatur noch nie richtig ver-
standen worden, Aveil die frühchristlichen Gedankengänge, die ihm zugrunde-
liegen, unbeachtet blieben.
2 Vgl. Vogt, S. 29ff.; J. B. Sägmüller, Die Idee von der Kirche als
imperium Romanum, Theol. Quartalschr. LXXX (1898); A. Kleinclausz,
L’empire Carolingien (1902), S. 40ff.; M. Vogelstein, Kaiseridee — Romidee
 
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