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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Editor]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0017
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Römischer und christlicher Reichsgedanke.

11

Solche vorbehaltlos positive Einstellung treffen wir nun in den
historisch-politischen Teilen der Liturgie auf Schritt und Tritt.
Gott wird als protector Romani imperii angerufen. Um seines
Namens willen möge er die Führer des römischen Reiches schützen.
Das regnum Romanum heißt gottuntertänig. Für den Imperator
Christianissimus, die principes oder rectores des römischen Reiches
werden Kraft, Schutz, Beistand und Sieg erfleht zum Heile, zur
Sicherheit und Ehre des Gottesvolkes oder, damit überall die Macht
derjenigen, deren Demut ihm untergeben sei, hervorrage* 1. Allent-
halben sieht man, wie die Interessen der Christenheit und des
Reiches zusammenfallen. Am deutlichsten lassen die Identität von
römischem und christlichem Reichsgefühl vielleicht zwei Gebete
des Sacramentarium Leonianum erkennen, die beide in die jüngere
Liturgie übernommen worden sind. Das eine lautet: Nostris, quae-
sumus, domine, propitiare temporibus, ut tuo munere dirigantur et
Romana securitas et devotio Christiana. Schon hier fällt die enge
innere Verbundenheit der beiden Begriffe Romana securitas und
devotio Christiana auf. Die zweite hier zu nennende Oration läßt
sie noch sichtbarer werden: Omnipotens sempiterne deus in protectione
fidelium populorum antiqua brachii tui operare miracula, ut hostibus
nostris tua virtute conpressis secura tibi serviat Romana devotio. In
diesem inhaltlich und formal stark anklingenden Text ist über-
raschenderweise gar devotio Christiana in devotio Romana variiert
worden. Es kann kaum ein besseres Beispiel für die Verschmelzung
römischen und christlichen Reichsbewußtseins geben2.

und das Verhältnis von Staat und Kirche seit Gonstantin (1930), S. 59 u. 68;
H. Günter, Die Reichsidee im Wandel der Zeiten, Hist. Jb. LI11 (1933), 4101.
Die zitierte Äußerung Leos d. Gr.: ep. CLXIV 3 (Migne LIV, 1150).
1 Vgl. u. S. 52ff. Daß auch vor Konstantin für Kaiser und Reich ge-
betet wurde, sieht man o. S. 9, Anm. 4. Vgl. bes. auch wegen der stilistischen
Anklänge an die Liturgie Tertullian, apolog. c. 30 (Migne I, 443): Precantes
sumus omnes semper pro omnibus imperatoribus, vitam Ulis prolixam, imperium
secururn, domum tutam, exercitus fortes, senatum fidelem, populum probum,
orbem quietum, . . . Die hier im Text angeführten Wendungen sind indessen
unmißverständlich nachkonstantinisch und bezeugen die erfolgte Verschmel-
zung von christlichem und römischem Reichsgefühl.
2 Vgl. u. S. 59 nr. 13 und S. 58 nr. 10. Wenn Feltoe S. Xf. das
Vorkommen von Romanus im Sacramentarium Leonianum als Hinweis auf
die Stadt Rom auslegt, so erscheint diese Annahme von vornherein als un-
wahrscheinlich. Wem die im folgenden zu erklärenden Reichskulturbegriffe
bekannt sind, wird sie. notwendigerweise ablehnen müssen.
 
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