Römischer und christlicher Reichsgedanke.
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Rede, so in dem schon mehrfach erwähnten Missale Francorum.
Für den Eifer, mit dem die Texte im fränkischen Sinne korrigiert
wurden, sei nur eine Variante des bereits genauer besprochenen
Gebets: Deus qui praedicando aeterni regni evangelio Romanum im-
perium praeparasti usw. angeführt. In der Messe eines fränkischen
Königsordo von 768 heißt es: Francorum Imperium praeparasti.
Dort hat also nationaler Übereifer eine Sinnlosigkeit verursacht,
da doch die praeparatio Romani imperii eine längst zurückliegende
heilsgeschichtliche Tat Gottes darstellt, und das fränkische Reich
durch diese Emendation, gewiß wider den Willen des Schreibers,
zu einem bloß vorbereitenden imperium herabgewürdigt wird1.
Man könnte nach solchen Reobachtungen glauben, im Franken-
reiche sei der universale Gedanke von der hochgehenden Woge
nationalen Selbstgefühls überhaupt verschlungen worden. Aber
wie es leicht geschieht, wo eine Nation groß von sich denkt: die
Franken fühlten sich gerade deswegen als Träger einer allgemeinen
Sendung und kamen so zur Wiederaufnahme des Reichsgedankens.
Sie begannen sich mit den Römern zu vergleichen. Dabei galt es
ihnen bald für ehrenvoll, den Römern ähnlich zu sein, wie etwa
dem Fredegar, der die gemeinsame Abstammung von den Trojanern
behauptete; bald aber fühlten sie sich stolz als Überwinder des
alten Herrenvolkes, die ein besseres, christliches Reich errichtet
haben, wie es in dem berühmten Prolog der lex Salica zum Ausdruck
kommt2. Es ist jetzt aber erkannt, daß das fränkische Univer-
salitätsbewußtsein stärker an das jüdisch-christliche als an das
römische angeknüpft hat, daß die Franken sich als das auserwählte
Volk Gottes und Nachfolger des Königreichs Israel, ihre Fürsten
als die der alttestamentlichen Könige betrachteten und die
Kontinuität des römischen Universalreiches ihnen nicht viel be-
deutete3. In Benediktionen und Gebeten ist ganz besonders oft
1 Vgl. u. S. 55 nr. 5.
2 Vgl. Pfeil, Romidee, S. 81 ff. und S. 102f. und die dort zitierten
Nachweise.
3 Vgl. schon F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frü-
heren Mittelalter (1915), S. 74 und Deks., Rex und sacerdos in bildlicher Dar-
stellung, Festschr. f. D. Schäfer (1915), S. 1 ff., dem ich gegen F. Kampers,
Rex et sacerdos, Hist. Jb. XLV (1925), 495ff. folge. Aus der neueren Lite-
ratur vgl. besonders E. Rosen stock, Die Furt der Franken und das Schisma,
Alter der Kirche II (1927), 487ff.; A. Brackmann, Die Anfänge der Slaven-
mission und die Renovatio imperii des Jahres 800, Sitzungsber. d. Preuß.
Akad., phil.-hist. Kl. 1931, S. 83ff.
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Rede, so in dem schon mehrfach erwähnten Missale Francorum.
Für den Eifer, mit dem die Texte im fränkischen Sinne korrigiert
wurden, sei nur eine Variante des bereits genauer besprochenen
Gebets: Deus qui praedicando aeterni regni evangelio Romanum im-
perium praeparasti usw. angeführt. In der Messe eines fränkischen
Königsordo von 768 heißt es: Francorum Imperium praeparasti.
Dort hat also nationaler Übereifer eine Sinnlosigkeit verursacht,
da doch die praeparatio Romani imperii eine längst zurückliegende
heilsgeschichtliche Tat Gottes darstellt, und das fränkische Reich
durch diese Emendation, gewiß wider den Willen des Schreibers,
zu einem bloß vorbereitenden imperium herabgewürdigt wird1.
Man könnte nach solchen Reobachtungen glauben, im Franken-
reiche sei der universale Gedanke von der hochgehenden Woge
nationalen Selbstgefühls überhaupt verschlungen worden. Aber
wie es leicht geschieht, wo eine Nation groß von sich denkt: die
Franken fühlten sich gerade deswegen als Träger einer allgemeinen
Sendung und kamen so zur Wiederaufnahme des Reichsgedankens.
Sie begannen sich mit den Römern zu vergleichen. Dabei galt es
ihnen bald für ehrenvoll, den Römern ähnlich zu sein, wie etwa
dem Fredegar, der die gemeinsame Abstammung von den Trojanern
behauptete; bald aber fühlten sie sich stolz als Überwinder des
alten Herrenvolkes, die ein besseres, christliches Reich errichtet
haben, wie es in dem berühmten Prolog der lex Salica zum Ausdruck
kommt2. Es ist jetzt aber erkannt, daß das fränkische Univer-
salitätsbewußtsein stärker an das jüdisch-christliche als an das
römische angeknüpft hat, daß die Franken sich als das auserwählte
Volk Gottes und Nachfolger des Königreichs Israel, ihre Fürsten
als die der alttestamentlichen Könige betrachteten und die
Kontinuität des römischen Universalreiches ihnen nicht viel be-
deutete3. In Benediktionen und Gebeten ist ganz besonders oft
1 Vgl. u. S. 55 nr. 5.
2 Vgl. Pfeil, Romidee, S. 81 ff. und S. 102f. und die dort zitierten
Nachweise.
3 Vgl. schon F. Kern, Gottesgnadentum und Widerstandsrecht im frü-
heren Mittelalter (1915), S. 74 und Deks., Rex und sacerdos in bildlicher Dar-
stellung, Festschr. f. D. Schäfer (1915), S. 1 ff., dem ich gegen F. Kampers,
Rex et sacerdos, Hist. Jb. XLV (1925), 495ff. folge. Aus der neueren Lite-
ratur vgl. besonders E. Rosen stock, Die Furt der Franken und das Schisma,
Alter der Kirche II (1927), 487ff.; A. Brackmann, Die Anfänge der Slaven-
mission und die Renovatio imperii des Jahres 800, Sitzungsber. d. Preuß.
Akad., phil.-hist. Kl. 1931, S. 83ff.