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Tellenbach, Gerd; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 1. Abhandlung): Roemischer und christlicher Reichsgedanke in der Liturgie des fruehen Mittelalters — Heidelberg, 1934

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https://doi.org/10.11588/diglit.40170#0028
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22

Gerd Tellen bach':

von populus tuus, der beata gens, oder gens regalis die Rede. Das
Frankenheer ist das Heer Gottes und der fränkische Stamm die
fidelissime Christiane fidei Francorum gens. Am klarsten wird die
Eigenschaft der Franken als des auserwählten Volkes vielleicht im
Sakramental1 von Gellone, in einer missa in profectione hostium
eontibus in prohelium. Pr ehe, heißt es dort, und in dem heiligen
Buch wird der Schaft des P von einem hoch erhobenen Arm mit
gewaltiger Streitaxt gebildet, Prebe, domine, exercitui tuo eonti in
tenebris claritatem, proficiscendi augeas sibi voluntatem et sicut Isra-
heli properanti ex Egypto securitatem praebuisti munimen, ita tuo
praedistinato eunti in prelio populo lucis auctore adicias ange-
lum. usw1.
Aber gerade indem die Franken sich für das Volk der
Vorsehung hielten, haben sie über sich selbst hinausgegriffen.
Denn daran bestand auch für sie kein Zweifel, daß die gesamte
Christenheit das Volk der Ausersehung sei, nicht eigentlich das
Frankenvolk allein. Aber sie wußten sich eben als Kern des
imperium Christianum, als Vorkämpfer der christlichen Welt.
Und deshalb wurden sie fähig, Hauptträger der christlichen
Universalitätsidee zu werden, die sich vom römischen Reichs-
gedanken wieder gelöst hatte, wenn ihr auch die einst erfahrene
römische Prägung nicht verloren gegangen war. Die Beziehungen
zwischen karolingischem und christlichem Reichsgedanken werden
klar, wenn man sich an einige zeitgenössische Äußerungen über
Karl den Großen erinnert. Karl ist vor und nadi der Krönung als
Leiter aller Christen — in Wirklichkeit war er es weder vor- noch
nachher —, als rector populi Christiani bezeichnet worden, und über
seinen Tod sollen Franken und Römer atque cuncti creduli, kurz:
der populus Christianus geklagt haben2.
Der christliche Reichsgedanke ist nicht nur im Frankenreiche
rezipiert worden, sondern z. B. auch in England begegnen wir ihm
frühzeitig3. Es lag für jedes Volk nahe, gerade sich selbst für den
1 Vgl. die im Anhang S. 68 ff. publizierten Gebete aus dem Sakramental1
von Gellone.
2 Vgl. Gone. II 142, nr. 19 (v. J. 794): Sit rex et sacerdos. Sit omnium
christianorum moderantissimus gubernator; Alcuini ep. 174 (Epp. IV 288 v.
J. 799): Tertia est regalis dignitas, in qua vos domini nostri Jesu Christi dispen-
satio rectorem populi Christiani disposuit; ep. 217 (Epp. IV 361 v. J. 801):
rector et imperator populi christiani; Planctus de obitu Karoli (Poetae I 435):
Franci Romani atque cuncti creduli, luctu pungunlur et magna molestia.
3 Schon die westgotische und insulare Sitte der Salbung des Königs,
 
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