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Gerd Tellenbach:
als Quelle verwandt worden1. D. bei gingen die Meinungen noch in
mancher Hinsicht auseinander2. Es muß deshalb der Versuch ge-
macht werden, die in dieser Abhandlung gewonnenen Anschauun-
gen unter besonderer Berücksichtigung der genannten Probleme
kurz darzustellen.
Für die Vorgeschichte der Kaiserkrönung Karls des Großen
ist es stets ein wichtiger Fragepunkt gewesen, welchen Anteil die
universalen Ideen damals gehabt hätten: der römische und der
christliche Reichsgedanke. Das imperium Romanum ist keineswegs
ein bloß staatsrechtlicher Begriff gewesen, sondern auch ein mäch-
tiger Kulturgedanke, von früh an mit dem Universalismus des
Christentums verwandt und mit ihm in den Jahrhunderten nach
Konstantin dem Großen verschmolzen. Und gerade die römischen
Reichskulturgedanken sind verchristlicht in die Liturgie eingegan-
gen und dort lebendig geblieben3. Dagegen hat die Vorstellung
von einem fortlebenden, die Erde umfassenden römischen Staat
während des frühen Mittelalters in den wichtigsten Ländern des
jungen Europa an Kraft verloren und hat, wie Heldmann wohl end-
gültig dargetan hat, dort wenigstens, keine nennenswerte Wirkung
bei der Vorbereitung des mittelalterlichen Kaisertums ausgeübt.
Immerhin wird man sich doch davor hüten müssen, das Vorkom-
men des imperium Romanum speziell in der Liturgie als seltenen
Zufall zu bezeichnen. Wenn in zwei fränkischen Sakramentaren,
die vor 750 geschrieben sind, Gebete für das römische Reich stehen,
1 Zuerst hat E. Rosenstock, Die Furt der Franken und das Schisma,
Alter der Kirche II (1927) 489, 546 u. 555f. kurz in diesem Zusammenhang
auf die Liturgie hingewiesen. Unabhängig davon hat ihr Heldmann, Kaiser-
tum Karls d. Gr., S. 31 ff. ausführliche Erörterungen gewidmet. Dann folgten
die wichtigen Abhandlungen von H. Hirsch, Der mittelalterliche Kaiser-
gedanke in den liturgischen Gebeten MÖIG XLIV (1930), lff.; C. Erd mann,
Der Heidenkrieg in der Liturgie und die Kaiserkrönung Ottos I., ebenda
XLY1 (1932), 129ff. und Schramm, AUF XI, 285ff., bes. 358ff.
2 Eine erneute Prüfung dieser Fragen forderte A. Brackmann, Die An-
fänge der Slavenmission und die Renovatio imperii des Jahres 800, Sitzungs-
ber. d. Preuß. Akad. phil.-hist. Kl. (1931), S. 85 Anm. 1. Diese Forderung ist
zum Teil bereits durch Erdmanns Aufsatz befriedigt worden.
3 Ygl. Abschn. I. Wenn in folgendem der Begriff imperium Christianum
gebraucht wird, so wird doch nie außer acht gelassen, daß er stark mit römi-
schen Elementen durchsetzt geblieben ist. Die Ansicht Heldmanns (S. 55),
daß die Ausdrücke imperium Romanum und Christianum weder identisch noch
auch verwandt seien, kann ich mir ebensowenig zu eigen machen wie Hirsch
S. 13 Anm. 52. Vgl. auch Hirsch, DLZ 1930, Sp. 34 und F. L. Ganshof,
Moyen Äge XL (1930), 216.
Gerd Tellenbach:
als Quelle verwandt worden1. D. bei gingen die Meinungen noch in
mancher Hinsicht auseinander2. Es muß deshalb der Versuch ge-
macht werden, die in dieser Abhandlung gewonnenen Anschauun-
gen unter besonderer Berücksichtigung der genannten Probleme
kurz darzustellen.
Für die Vorgeschichte der Kaiserkrönung Karls des Großen
ist es stets ein wichtiger Fragepunkt gewesen, welchen Anteil die
universalen Ideen damals gehabt hätten: der römische und der
christliche Reichsgedanke. Das imperium Romanum ist keineswegs
ein bloß staatsrechtlicher Begriff gewesen, sondern auch ein mäch-
tiger Kulturgedanke, von früh an mit dem Universalismus des
Christentums verwandt und mit ihm in den Jahrhunderten nach
Konstantin dem Großen verschmolzen. Und gerade die römischen
Reichskulturgedanken sind verchristlicht in die Liturgie eingegan-
gen und dort lebendig geblieben3. Dagegen hat die Vorstellung
von einem fortlebenden, die Erde umfassenden römischen Staat
während des frühen Mittelalters in den wichtigsten Ländern des
jungen Europa an Kraft verloren und hat, wie Heldmann wohl end-
gültig dargetan hat, dort wenigstens, keine nennenswerte Wirkung
bei der Vorbereitung des mittelalterlichen Kaisertums ausgeübt.
Immerhin wird man sich doch davor hüten müssen, das Vorkom-
men des imperium Romanum speziell in der Liturgie als seltenen
Zufall zu bezeichnen. Wenn in zwei fränkischen Sakramentaren,
die vor 750 geschrieben sind, Gebete für das römische Reich stehen,
1 Zuerst hat E. Rosenstock, Die Furt der Franken und das Schisma,
Alter der Kirche II (1927) 489, 546 u. 555f. kurz in diesem Zusammenhang
auf die Liturgie hingewiesen. Unabhängig davon hat ihr Heldmann, Kaiser-
tum Karls d. Gr., S. 31 ff. ausführliche Erörterungen gewidmet. Dann folgten
die wichtigen Abhandlungen von H. Hirsch, Der mittelalterliche Kaiser-
gedanke in den liturgischen Gebeten MÖIG XLIV (1930), lff.; C. Erd mann,
Der Heidenkrieg in der Liturgie und die Kaiserkrönung Ottos I., ebenda
XLY1 (1932), 129ff. und Schramm, AUF XI, 285ff., bes. 358ff.
2 Eine erneute Prüfung dieser Fragen forderte A. Brackmann, Die An-
fänge der Slavenmission und die Renovatio imperii des Jahres 800, Sitzungs-
ber. d. Preuß. Akad. phil.-hist. Kl. (1931), S. 85 Anm. 1. Diese Forderung ist
zum Teil bereits durch Erdmanns Aufsatz befriedigt worden.
3 Ygl. Abschn. I. Wenn in folgendem der Begriff imperium Christianum
gebraucht wird, so wird doch nie außer acht gelassen, daß er stark mit römi-
schen Elementen durchsetzt geblieben ist. Die Ansicht Heldmanns (S. 55),
daß die Ausdrücke imperium Romanum und Christianum weder identisch noch
auch verwandt seien, kann ich mir ebensowenig zu eigen machen wie Hirsch
S. 13 Anm. 52. Vgl. auch Hirsch, DLZ 1930, Sp. 34 und F. L. Ganshof,
Moyen Äge XL (1930), 216.