Metadaten

Hoffmann, Ernst; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1934/35, 2. Abhandlung): Platonismus und Mystik im Altertum — Heidelberg, 1935

DOI Seite / Zitierlink: 
https://doi.org/10.11588/diglit.40171#0076
Lizenz: Freier Zugang - alle Rechte vorbehalten
Überblick
Faksimile
0.5
1 cm
facsimile
Vollansicht
OCR-Volltext
72

Ernst Hoffmann:

seits würde, in Platons Augen, die Macht der Raumwelt überschätzt
werden, wenn im Nicht-sein des Räumlichen das Negative als
schaffendes Prinzip, als Konkurrent Gottes, als Sein eines radikal
Schlechten angesehen würde. Soll der Raum in ‘Gegensatz’ gesetzt
werden, so steht er als Sinnliches in Gegensatz zu den Ideen, wie
Vorstellung zum Regriff, wie das schwankende Spiegelbild von
etwas Rundem auf bewegter Wasserfläche zu der unwandelbaren
Definition des mathematischen Kreises. Einen Gegensatz zu Gott
aber kann es im echten Platonismus nicht geben: Schatten ist
nur Gegensatz zur Helle, aber nicht zur Sonne; der Regriff der dem
Nichtseienden Teilhabe am Sein verleihenden Causa existentialis
liegt in der übergegensätzlichen Sphäre unbedingter Einsheit.
Es ist im Grunde dieselbe Aufgabe, bei Platon die scheinbaren
Ansätze für spätere mystische Umbildung seiner Lehre aufzuspüren,
wie motivgeschichtlich die Differenzen zu untersuchen, die ihn
tatsächlich von aller Mystik trennen. Und so liegt es nicht nur für
jeden einzelnen der drei Bereiche und für sie insgesamt, sondern
auch vornehmlich für denjenigen Begriff, um den sich sowohl
Platon wie alle Mystik besonders mühen, den Begriff des Seelen-
weges.
So unangemessen es sein mag, die immer wieder neuen Aspekte,
unter denen Platon vom Phaidon an bis zu den Gesetzen das
Problem des Seelischen behandelt hat, nur auf die schmächtige
Linie einer einheitlichen Problementwicklung zu bringen, so klä-
rend und unerläßlich ist es doch andererseits, den unveränderten
Sinn zu bestimmen, den Platon im Grunde immer mit dem Begriffe
der Seele verband. Und dieser Sinn ergibt sich bereits deutlich
aus Platons metaphorischen Aussagen über ihr besonderes Sein:
Seele ist dasjenige, dessen eigentümliche ‘Leistung’ die Tugend
ist; dessen zweckhafte ‘Bewegung’ das Lernen ist; dessen beste
‘Verfassung’ die Selbstbeherrschung ist; dessen ‘Ziel’ die Wahr-
heit, dessen ‘Aufgabe’ die Bildung, dessen ‘Nahrung’ das Gute,
dessen‘Gesundheit’ die Gerechtigkeit istusw. Hierdurch bestimmt
sich, was der Seele nützlich und schädlich, was ihr Eigensein för-
dernd und gefährdend ist: es bestimmt sich der Sinn der ihr einge-
borenen Alternative. Diese Metaphern Platons sind deshalb so
kennzeichnend, weil sich in ihnen zeigt, daß die Analogie des
Seelischen zum Körperlichen zugleich ihren Gegensatz zum Kör-
perlichen enthält. Es sind dieselben Wertideen, an denen Körper
und Seele teilhaben können; aber die Art der Teilhabe ist für beide
 
Annotationen
© Heidelberger Akademie der Wissenschaften