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Brinkmann, Carl; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1935/36, 1. Abhandlung): Die Bedeutung der Allmenden im neuen Deutschland — Heidelberg, 1935

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https://doi.org/10.11588/diglit.41984#0015
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Die Bedeutung der Allmenden im neuen Deutschland.

7

großen Teil vorliegenden Bodenreserve entschlossener zu Leibe
rücken sollte.
Ein zweiter wichtiger Fragenkreis betrifft die Entwicklung
der Allmendnutzung gerade im letzten Jahrhundert, d. h. in der
Zeit der Wandlung von wenigstens grundsätzlich sich deckenden
Orts- und Realbürgergemeinden zum Eindringen gemeinde- und
berufsfremder Elemente, wie sie die Industrialisierung des platten
Landes und die allgemeine Liberalisierung des Ortsbürger- und
Personenrechtes unvermeidlich mit sich bringen mußte. Wer von
dem sozialpolitischen Segen der Allmende spricht, sollte wenigstens
wissen, daß in durchaus nicht vereinzelten Fällen ihre Nutzung
auf Grund des Einkaufsrechts aus bloßer Ortsbürgerschaft sogar
von jüdischen Gewerbetreibenden und Händlern, bisweilen sogar
In Abwesenheit, in Anspruch genommen worden ist1. Zwar scheinen
die Versuche der Reichsstatistik, die Berufs- und Betriebszählungen
seit 1895 auch zur Erfassung des Allmendbesitzes zu verwenden,
beim Vergleich mit ähnlichen Erhebungen der Länderstatistik vor-
läufig nur die Schwierigkeiten jeder zentralen, nicht in die örtlichen
Verhältnisse selbst eingehenden Allmendstatistik durch zahlreiche
Einstimmigkeiten grell zu beleuchten2. Aber gerade in Baden gibt
m. E. doch die lange Reihe der schon 1854 vom Ministerium des
Innern begonnenen, von Adolf Buchenberger besonders liebe-
voll ausgewerteten Allmenderhebungen ein ganz bestimmtes All-
gemeinbild von dem Entwicklungszuge dieses Zweiges der Boden-
wirtschaft. Nach der Statistik von 1854 betrug die in Einzel-
berechtigungen verteilte3 Allmendfläche 105012 Morgen, nach der
Statistik von 1873: 125967 Morgen4. Auf ein ähnliches Anwachsen
der Allmendnutzungen deuten die Zahlen der Berechtigten hin.
Sie betrugen 1854: 95018 Bürger und Bürgerwitwen, 1873: 104059
(nämlich 15607 allein an Liegenschaften und 88452 neben solchen
auch an Holzgaben) Berechtigte. Ich habe keinen Grund anzu-
1 Bergdolt 212ff.; Regula 117 (Billigheim) und ein bekanntes Urteil
des Pr. Oberverwaltungsgerichts 1921 für Kassel, Entsch. 76, 122ff. Über
den Zusammenhang der Entwicklung eines neutralen ,,Staatsbürger“-Begriffs
mit der Judenemanzipaticn s. jetzt A. Wagner, Deutsche Juristenzeitung 40
{1935), 740f.
2 E. Schlosser im Allg. Statistischen Archiv 24 (1935), 312ff.
3 Diese Bezeichnung dürfte besser sein als die der heutigen Reichs-
statistik „aufgeteilte Allmendfläche“, weil dieser letzte Ausdruck irrtümlich
auf Verwandlung der Allmend in Privateigentum bezogen werden könnte.
4 Ellering, 71 f.
 
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