Neue Darstellungen griechischer Sagen: I, Kreta.
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schon die leichte Abrundung der oberen Ecken zeigt hier doch,
daß der fragliche Gegenstand nicht etwa der Ausschnitt aus einer
größeren Zone — in der Art der Stabmuster an Deckel oder Bauch
desselben Gefäßes (Taf. 1,2) — sein soll, sondern ein Ding für sich.
Wenn also die Sockel auf unserem Vasenbild weder als Statuen-
plinthen aufgefaßt werden können, noch als sachlich indifferente,
bloß dekorative Figurenträger, was sind sie dann ? Es ist nicht
anders denkbar, sie müssen ein integrierender Bestandteil der dar-
gestellten Szene selber sein. Und zwar kann ich in dem breiten
Podium rechts nur ein Gerüst aus hölzernen Balken sehen; eine
Reihe senkrechter Pfosten trägt einen horizontalen Boden, auf wel-
chem der Behelmte sich bewegt. Wäre das Bild ein halbes Jahr-
tausend jünger, so hätte man vielleicht die Antwort rasch zur Hand:
ein Gaukler auf seiner Pritsche! Man denke an die unteritalischen
Phlyakenvasen mit ihrer Spielbühne von oft ähnlich primitiver
Beschaffenheit. Für die ältere Zeit dagegen fehlt es einstweilen
an Belegen für solche Vorrichtung* 1. Es wäre denn, daß das so ge-
zeichnete Gestell auf einer Dipylon schale2, das zu einem rituellen
risierten Standzone für die Figuren und dem regelmäßig blau und rot wechseln-
den Sockelstreifen darunter. Letztererist doch nichts anderes als jenes abstrakte
Zahn- oder Stabornament, das bei Bildern bescheideneren Umfangs das Feld
auf allen Seiten umzieht, häufig in zwei oder mehr Streifen übereinander. Vgl.
die bemalte Stucktafel AM. 37, 1912 Taf. 8 oder das Stierspringer-Fresko
Evans III 212 Abb. 144, Taf. 21. Das wird gleichfalls von der Glyptik über-
nommen, z. B. ebenda 220 Abb. 154, wo man das so gegliederte Segment nicht
als zweistufigen realen Sockel mißverstehen sollte. Auch das Lokal der Kult-
szene auf dem Ring aus Knossos wird von Evans I 160 zu rationalistisch er-
klärt (“she Stands on a stone terrace”). Für das gleichartige Sockelmotiv I 687
Abb. 505 verweist er treffend auf das Fayencerelief mit der säugenden Kuh
(a. O. 511 Abb. 367; Bossert 58 Abb. 82), aber die vertikale Streifenmuste-
rung der Fußleiste ist dort lediglich ornamental, die Bezeichnung als “archi-
tectural basis” also nicht eben glücklich. In derselben Weise bemalt ist auch
der Standring der tönernen Reigen-Gruppe aus Palaikastro (die Nachbildung
bei Bossert 80 Abb. 113 ist hierin ungenau, besser Nilsson 96 Abb. 7).
1 Phlyakenbühne, einfachster Typus: Fiechter, Baugeschichtl. Ent-
wicklung d. ant. Theaters 37ff. Abb. 28—36; Bieber, Denkmäler z. Theater-
wesen 138ff. Nr. 104, 108, 109, 110, 115, 118, 120, 123. Diese Bühnenform
bleibt auf Italien beschränkt, wo sie entstanden ist. In Griechenland ist das
Podium der Musikanten, Sänger, Tänzer u. Possenreißer entweder ein massiver
Tritt oder ein niedriges Gestühl auf vier Beinen, tischförmig, z. B. Bonner Studien
f.Kekule247 (sf.Amphora, Bonn); FR, III 139 Abb.63 (Glockenkrater, S.Hope).
2 Collignon-Couve 352; Brueckner-Pernice, AM. 18, 1893, 113 Abb.
10; Perrot-Chipiez VII 222 Abb. 96; Winter, IviB. 112, 9.
2 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1935/36. 4. Abli.
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schon die leichte Abrundung der oberen Ecken zeigt hier doch,
daß der fragliche Gegenstand nicht etwa der Ausschnitt aus einer
größeren Zone — in der Art der Stabmuster an Deckel oder Bauch
desselben Gefäßes (Taf. 1,2) — sein soll, sondern ein Ding für sich.
Wenn also die Sockel auf unserem Vasenbild weder als Statuen-
plinthen aufgefaßt werden können, noch als sachlich indifferente,
bloß dekorative Figurenträger, was sind sie dann ? Es ist nicht
anders denkbar, sie müssen ein integrierender Bestandteil der dar-
gestellten Szene selber sein. Und zwar kann ich in dem breiten
Podium rechts nur ein Gerüst aus hölzernen Balken sehen; eine
Reihe senkrechter Pfosten trägt einen horizontalen Boden, auf wel-
chem der Behelmte sich bewegt. Wäre das Bild ein halbes Jahr-
tausend jünger, so hätte man vielleicht die Antwort rasch zur Hand:
ein Gaukler auf seiner Pritsche! Man denke an die unteritalischen
Phlyakenvasen mit ihrer Spielbühne von oft ähnlich primitiver
Beschaffenheit. Für die ältere Zeit dagegen fehlt es einstweilen
an Belegen für solche Vorrichtung* 1. Es wäre denn, daß das so ge-
zeichnete Gestell auf einer Dipylon schale2, das zu einem rituellen
risierten Standzone für die Figuren und dem regelmäßig blau und rot wechseln-
den Sockelstreifen darunter. Letztererist doch nichts anderes als jenes abstrakte
Zahn- oder Stabornament, das bei Bildern bescheideneren Umfangs das Feld
auf allen Seiten umzieht, häufig in zwei oder mehr Streifen übereinander. Vgl.
die bemalte Stucktafel AM. 37, 1912 Taf. 8 oder das Stierspringer-Fresko
Evans III 212 Abb. 144, Taf. 21. Das wird gleichfalls von der Glyptik über-
nommen, z. B. ebenda 220 Abb. 154, wo man das so gegliederte Segment nicht
als zweistufigen realen Sockel mißverstehen sollte. Auch das Lokal der Kult-
szene auf dem Ring aus Knossos wird von Evans I 160 zu rationalistisch er-
klärt (“she Stands on a stone terrace”). Für das gleichartige Sockelmotiv I 687
Abb. 505 verweist er treffend auf das Fayencerelief mit der säugenden Kuh
(a. O. 511 Abb. 367; Bossert 58 Abb. 82), aber die vertikale Streifenmuste-
rung der Fußleiste ist dort lediglich ornamental, die Bezeichnung als “archi-
tectural basis” also nicht eben glücklich. In derselben Weise bemalt ist auch
der Standring der tönernen Reigen-Gruppe aus Palaikastro (die Nachbildung
bei Bossert 80 Abb. 113 ist hierin ungenau, besser Nilsson 96 Abb. 7).
1 Phlyakenbühne, einfachster Typus: Fiechter, Baugeschichtl. Ent-
wicklung d. ant. Theaters 37ff. Abb. 28—36; Bieber, Denkmäler z. Theater-
wesen 138ff. Nr. 104, 108, 109, 110, 115, 118, 120, 123. Diese Bühnenform
bleibt auf Italien beschränkt, wo sie entstanden ist. In Griechenland ist das
Podium der Musikanten, Sänger, Tänzer u. Possenreißer entweder ein massiver
Tritt oder ein niedriges Gestühl auf vier Beinen, tischförmig, z. B. Bonner Studien
f.Kekule247 (sf.Amphora, Bonn); FR, III 139 Abb.63 (Glockenkrater, S.Hope).
2 Collignon-Couve 352; Brueckner-Pernice, AM. 18, 1893, 113 Abb.
10; Perrot-Chipiez VII 222 Abb. 96; Winter, IviB. 112, 9.
2 Sitzungsberichte d. Heidelb. Akad., phil.-hist. Kl. 1935/36. 4. Abli.