Neue Darstellungen griechischer Sagen: I. Kreta.
19
Jahrtausend (etwa 1400 — 700 v. Chr.), und es geht daher nicht
wohl an, sie nach Konstruktion und Bestimmung als eine Einheit
aufzufassen. Fest steht jedenfalls soviel, daß manche dieser Boote
dank ihrer kufenförmigenKielgestaltung auch überLand geschleppt,
das heißt als Schlitten verwendet werden konnten; tatsächlich
finden wir auf den Felsbildern bisweilen Zugtiere vor dem Schiffs-
schlitten dargestellt1. Neuerdings hat besonders A. Köster mit
Nachdruck die Meinung vertreten, es seien überhaupt keine Schiffe
im eigentlichen Sinne wiedergegeben, sondern Flöße, allerdings
solche von entwickelterer Form2. Die senkrechten Verbindungs-
linien zwischen den beiden gestreckten Horizontalen, deren untere
den Schwimmkörper bedeuten soll, die obere eine Plattform für
Menschen und Ladung, sind auch von außen sichtbare richtige
Deckstützen, nicht im Innern eines Hohlraums zu denkende
Schiffsspanten, wie man früher meinte. Die Erhöhung der Trag-
fläche um etwa 1 m über dem Meeresspiegel ist in erster Linie natür-
lich eine Schutzvorrichtung bei starkem Seegang, wie sie bis vor
kurzem noch an Fahrzeugen der Eingeborenen in Südamerika oder
im Stillen Ozean zu beobachten war.
Man wird zugeben, daß das von Odysseus gezimmerte Floß
diesen Beispielen aus vorgeschichtlicher wie aus jüngster Zeit in
seiner Bauart gleicht. Auf solche Analogien hat übrigens schon
Assmann3 aufmerksam gemacht. Auch hat er die Homerverse
wohl zutreffender interpretiert, als es Schuchhardt tut. Wenn
ε 252 f. den Gang der Arbeit schildert
Ι'κρια δε στήσας άραρών Ααμέσι σταμίνεσσιν,
ποίει ' άτάρ μακρησιν έπηγκενίδεσσΐ τελεύτα
so bezeichnen die έπηγκενίδες allerdings den Bretterboden der
Plattform. Aber die Stützen, welche diese tragen, heißen nicht
ί'κρία, sondern σταμΐνες, sie sind identisch mit den Pfosten (σταυροί)
der Pfahlbauten, während Herodot deren waagrechten Abschluß,
1 Für die religiöse Bedeutung der Schiffsprozession und ihre ethnologi-
schen Parallelen kann jetzt auf die weitausholende Arbeit Almgrens verwiesen
werden.
2 Köster, Studien z. Geschichte d. antiken Seewesens (1934) 114ff.
Ihm folgend C. Schuchhardt, Alte Sagenzüge in der homer. Archäologie u.
Geographie. SBBerl. 1935, 190ff. Doch muß man sich hüten, diese Erklärung
auf sämtliche Schiffsbilder des Nordens anwenden zu wollen; auf solchen aus
jüngerer Zeit fehlt es nicht an Darstellungen von Fahrzeugen, in deren Innen-
raum sich Menschen befinden (Köster 119 Anm. 1).
3 Das Floß des Odysseus. 1904.
19
Jahrtausend (etwa 1400 — 700 v. Chr.), und es geht daher nicht
wohl an, sie nach Konstruktion und Bestimmung als eine Einheit
aufzufassen. Fest steht jedenfalls soviel, daß manche dieser Boote
dank ihrer kufenförmigenKielgestaltung auch überLand geschleppt,
das heißt als Schlitten verwendet werden konnten; tatsächlich
finden wir auf den Felsbildern bisweilen Zugtiere vor dem Schiffs-
schlitten dargestellt1. Neuerdings hat besonders A. Köster mit
Nachdruck die Meinung vertreten, es seien überhaupt keine Schiffe
im eigentlichen Sinne wiedergegeben, sondern Flöße, allerdings
solche von entwickelterer Form2. Die senkrechten Verbindungs-
linien zwischen den beiden gestreckten Horizontalen, deren untere
den Schwimmkörper bedeuten soll, die obere eine Plattform für
Menschen und Ladung, sind auch von außen sichtbare richtige
Deckstützen, nicht im Innern eines Hohlraums zu denkende
Schiffsspanten, wie man früher meinte. Die Erhöhung der Trag-
fläche um etwa 1 m über dem Meeresspiegel ist in erster Linie natür-
lich eine Schutzvorrichtung bei starkem Seegang, wie sie bis vor
kurzem noch an Fahrzeugen der Eingeborenen in Südamerika oder
im Stillen Ozean zu beobachten war.
Man wird zugeben, daß das von Odysseus gezimmerte Floß
diesen Beispielen aus vorgeschichtlicher wie aus jüngster Zeit in
seiner Bauart gleicht. Auf solche Analogien hat übrigens schon
Assmann3 aufmerksam gemacht. Auch hat er die Homerverse
wohl zutreffender interpretiert, als es Schuchhardt tut. Wenn
ε 252 f. den Gang der Arbeit schildert
Ι'κρια δε στήσας άραρών Ααμέσι σταμίνεσσιν,
ποίει ' άτάρ μακρησιν έπηγκενίδεσσΐ τελεύτα
so bezeichnen die έπηγκενίδες allerdings den Bretterboden der
Plattform. Aber die Stützen, welche diese tragen, heißen nicht
ί'κρία, sondern σταμΐνες, sie sind identisch mit den Pfosten (σταυροί)
der Pfahlbauten, während Herodot deren waagrechten Abschluß,
1 Für die religiöse Bedeutung der Schiffsprozession und ihre ethnologi-
schen Parallelen kann jetzt auf die weitausholende Arbeit Almgrens verwiesen
werden.
2 Köster, Studien z. Geschichte d. antiken Seewesens (1934) 114ff.
Ihm folgend C. Schuchhardt, Alte Sagenzüge in der homer. Archäologie u.
Geographie. SBBerl. 1935, 190ff. Doch muß man sich hüten, diese Erklärung
auf sämtliche Schiffsbilder des Nordens anwenden zu wollen; auf solchen aus
jüngerer Zeit fehlt es nicht an Darstellungen von Fahrzeugen, in deren Innen-
raum sich Menschen befinden (Köster 119 Anm. 1).
3 Das Floß des Odysseus. 1904.