Arnold von Salis:
a. O. ein paar Beispiele aus Payne, Necrocorinthia angeführt;
weitere namhaft zu machen dürfte sich erübrigen, ihre Zahl ist
Legion. Allein das Verbreitungsgebiet des Löwen im griechischen
Archaismus ist ja ein viel größeres, und auch zeitlich läßt sich sein
Auftreten hier erheblich höher hinauf verfolgen1. Wurde er doch
von jeher als eines der ersten Anzeichen betrachtet, in denen sich
der Durchbruch des orientalisierenden Stils zu erkennen gibt. An
Autopsie zu denken fühlt man sich kaum versucht, der Abstand
zwischen den prachtvollen Naturaufnahmen der vorderasiatischen
Reliefplastik und den griechischen Nachzüglern ist ungeheuer.
Aber eben jenem abgeleiteten Typus, den uns die griechische Kunst
der nachgeometrischen Periode vor Augen stellt, zeigt sich der Löwe
unserer Stele nächstverwandt.
Kein Zweifel, daß er, wenn auch nur indirekt, auf griechischen
Typenschatz zurückzuführen ist. Es fragt sich bloß, ob die Vorlage
gleichfalls eine isolierte Figur gewesen, oder ob diese, wie wir das
noch in anderen Fällen beobachten werden, aus einem bildlichen
Zusammenhang herausgerissen ist. Beides wäre denkbar. Der an-
griffsbereite Löwe mit erhobener Tatze kommt schon auf frühatti-
schen Vasen bald einzeln, bald hintereinander gereiht, oder paar-
weise im Wappenschema vor2. Dann aber stellt ihn die archaische
Kunst in derselben Haltung auch seinem Opfer gegenüber, oder
einem menschlichen Gegner im Kampf. Eine ionische Amphora aus
Kamiros3 schildert so das Löwenabenteuer des Herakles. Hinter
der Bestie steigt dort eine große Ranke in ornamentaler Stilisierung
empor: es könnte den Anschein erwecken, als bezeichne sie das
Dickicht, aus dem das Raubtier soeben hervorbricht; um so mehr,
als der Pflanze das zu erwartende Gegenstück am rechten Ende des
Bildfeldes fehlt. Wir haben ja kein Recht, solchen anscheinend ganz
abstrakten Gebilden den Sinn eines konkreten Gewächses abzuspre-
chen; sie können, auch wenn ihnen für unser Gefühl aller natürliche
Saft entzogen ist, sehr wohl einen Baum, einen Strauch bedeuten;
kommt es doch vor, daß Tiere an solchen „Ornamenten“ ihren
1 Ganz abgesehen vom Vorspiel der kretisch-mykenischen Periode.
Vgl. im übrigen O. Keller, Antike Tierwelt I 24if.; Steier, RE. XIII 988ff.
über die Löwendarstellung in der Kunst des Altertums.
2 Böhlau, Jdl. 2, 1887, 35 Anm. 4; Beispiele 56 Abb. 22 u. Tat. 3—5;
Buschor, Vasenmalerei 63 Abb. 46; Pfuhl, MuZ. Abb. 84.
3 Clara Rhodos IV 141 Nr. 1 Abb. 138, 139 u. Tat. 2; CVA. Italia 430
(Rodi 1 III F Tat. 1) u. 432 (Tat. 3).
a. O. ein paar Beispiele aus Payne, Necrocorinthia angeführt;
weitere namhaft zu machen dürfte sich erübrigen, ihre Zahl ist
Legion. Allein das Verbreitungsgebiet des Löwen im griechischen
Archaismus ist ja ein viel größeres, und auch zeitlich läßt sich sein
Auftreten hier erheblich höher hinauf verfolgen1. Wurde er doch
von jeher als eines der ersten Anzeichen betrachtet, in denen sich
der Durchbruch des orientalisierenden Stils zu erkennen gibt. An
Autopsie zu denken fühlt man sich kaum versucht, der Abstand
zwischen den prachtvollen Naturaufnahmen der vorderasiatischen
Reliefplastik und den griechischen Nachzüglern ist ungeheuer.
Aber eben jenem abgeleiteten Typus, den uns die griechische Kunst
der nachgeometrischen Periode vor Augen stellt, zeigt sich der Löwe
unserer Stele nächstverwandt.
Kein Zweifel, daß er, wenn auch nur indirekt, auf griechischen
Typenschatz zurückzuführen ist. Es fragt sich bloß, ob die Vorlage
gleichfalls eine isolierte Figur gewesen, oder ob diese, wie wir das
noch in anderen Fällen beobachten werden, aus einem bildlichen
Zusammenhang herausgerissen ist. Beides wäre denkbar. Der an-
griffsbereite Löwe mit erhobener Tatze kommt schon auf frühatti-
schen Vasen bald einzeln, bald hintereinander gereiht, oder paar-
weise im Wappenschema vor2. Dann aber stellt ihn die archaische
Kunst in derselben Haltung auch seinem Opfer gegenüber, oder
einem menschlichen Gegner im Kampf. Eine ionische Amphora aus
Kamiros3 schildert so das Löwenabenteuer des Herakles. Hinter
der Bestie steigt dort eine große Ranke in ornamentaler Stilisierung
empor: es könnte den Anschein erwecken, als bezeichne sie das
Dickicht, aus dem das Raubtier soeben hervorbricht; um so mehr,
als der Pflanze das zu erwartende Gegenstück am rechten Ende des
Bildfeldes fehlt. Wir haben ja kein Recht, solchen anscheinend ganz
abstrakten Gebilden den Sinn eines konkreten Gewächses abzuspre-
chen; sie können, auch wenn ihnen für unser Gefühl aller natürliche
Saft entzogen ist, sehr wohl einen Baum, einen Strauch bedeuten;
kommt es doch vor, daß Tiere an solchen „Ornamenten“ ihren
1 Ganz abgesehen vom Vorspiel der kretisch-mykenischen Periode.
Vgl. im übrigen O. Keller, Antike Tierwelt I 24if.; Steier, RE. XIII 988ff.
über die Löwendarstellung in der Kunst des Altertums.
2 Böhlau, Jdl. 2, 1887, 35 Anm. 4; Beispiele 56 Abb. 22 u. Tat. 3—5;
Buschor, Vasenmalerei 63 Abb. 46; Pfuhl, MuZ. Abb. 84.
3 Clara Rhodos IV 141 Nr. 1 Abb. 138, 139 u. Tat. 2; CVA. Italia 430
(Rodi 1 III F Tat. 1) u. 432 (Tat. 3).