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Arnold von Balis:
dieses Zeichners, bei den Rnndschilden der Krieger unterließ er es
ja auch. Vom Kampf der Schildkröte mit Schlangen berichtet die
antike Literatur1; sie soll ihr gefährlichster Gegner sein. Nach Ana-
logien einer solchen Darstellung haben wir in der griechischen
Kunst freilich vergebens Umschau gehalten. In derjenigen des
Alten Orients, wo Kämpfe zwischen Wassertieren überhaupt gang
und gäbe sind, würde man sie schon eher finden; auf einem assyri-
schen Relief sehen wir eine Schlange der Wasserschildkröte dicht
auf den Fersen2. Diese Szenen spielen sich dann stets in unmittel-
barer Nähe des Schiffes ab, wie hier. So hätte das unheimliche
Meeresidyll, in der von uns erschlossenen harmloseren Form, seine
Daseinsberechtigung auch auf der picenischen Stele, als ein bloß be-
lebendes Begleitmotiv3.
Allein wir möchten es überhaupt für wenig wahrscheinlich hal-
ten, daß diese beiden Dinge, Schlangengruppe und Segelschiff,
miteinander in Verbindung zu bringen seien, geschweige denn daß
sie derselben Quelle entstammten. Springt doch der mosaikartige
Charakter der ganzen Stelendekoration noch viel mehr in die Augen,
als dies bei dem Fano-Stein Tafel 1 der Fall ist. Dort wird das Bild-
feld wenigstens in einzelne waagrechte Zonen gegliedert, die ein-
ander parallel laufen und sich von dem einen Standpunkt über-
blicken lassen. Hier dagegen erscheinen die Szenen oder Gruppen
ganz verschieden orientiert. Das rührt einfach daher, daß die Platte
in horizontaler Lage bearbeitet wurde; der Mann wechselte dabei
mehrmals den Platz, das heißt, er ging um den Stein herum, beugte
sich darüber und zeichnete, wie es ihm am bequemsten war. Daher
die „Antipoden“ nahe dem unteren Bildrand, welche dort die üb-
lichen Fische unter dem Schiffskiel verdrängt haben; es ist ein Bild
für sich, ein prozessionsartiger Aufzug von vier schreitenden Män-
nern, die Henkelkörbe oder etwas Ähnliches in den vorgestreckten
Händen tragen. Die beste Analogie scheint mir die bronzene Situla
1 Die Stellen bei Gossen-Steier, RE. II A 505, 64.
2 Meissner, Babylonien und Assyrien I Taf. 206; danach Marinatos,
Ephemeris 1930, 122 Abb. 9 (Ausschnitt). Vgl. auch Schäfer-Andrae, Die
Kunst des Alten Orients (Propyläen-Kunstgesch. II) 523; Köster, Seewesen
Tafelbild 3—17. Auf den Reliefs aus dem Palaste des Sanherib (Ausschnitte
Köster 52 Abb. 7, 8) tummeln sich, übergroß gezeichnet, Seesterne, Taschen-
krebse, Echsen, Wasserschlangen rings um die Fahrzeuge in den Wellen.
3 Der mächtige Taschenkrebs unter dem einen Henkel der Aristonothos-
vase, Pfuhl Abb. 65, verdankt seine Existenz wohl auch nur dem Schiffskampf
auf dem Bildfeld daneben.
Arnold von Balis:
dieses Zeichners, bei den Rnndschilden der Krieger unterließ er es
ja auch. Vom Kampf der Schildkröte mit Schlangen berichtet die
antike Literatur1; sie soll ihr gefährlichster Gegner sein. Nach Ana-
logien einer solchen Darstellung haben wir in der griechischen
Kunst freilich vergebens Umschau gehalten. In derjenigen des
Alten Orients, wo Kämpfe zwischen Wassertieren überhaupt gang
und gäbe sind, würde man sie schon eher finden; auf einem assyri-
schen Relief sehen wir eine Schlange der Wasserschildkröte dicht
auf den Fersen2. Diese Szenen spielen sich dann stets in unmittel-
barer Nähe des Schiffes ab, wie hier. So hätte das unheimliche
Meeresidyll, in der von uns erschlossenen harmloseren Form, seine
Daseinsberechtigung auch auf der picenischen Stele, als ein bloß be-
lebendes Begleitmotiv3.
Allein wir möchten es überhaupt für wenig wahrscheinlich hal-
ten, daß diese beiden Dinge, Schlangengruppe und Segelschiff,
miteinander in Verbindung zu bringen seien, geschweige denn daß
sie derselben Quelle entstammten. Springt doch der mosaikartige
Charakter der ganzen Stelendekoration noch viel mehr in die Augen,
als dies bei dem Fano-Stein Tafel 1 der Fall ist. Dort wird das Bild-
feld wenigstens in einzelne waagrechte Zonen gegliedert, die ein-
ander parallel laufen und sich von dem einen Standpunkt über-
blicken lassen. Hier dagegen erscheinen die Szenen oder Gruppen
ganz verschieden orientiert. Das rührt einfach daher, daß die Platte
in horizontaler Lage bearbeitet wurde; der Mann wechselte dabei
mehrmals den Platz, das heißt, er ging um den Stein herum, beugte
sich darüber und zeichnete, wie es ihm am bequemsten war. Daher
die „Antipoden“ nahe dem unteren Bildrand, welche dort die üb-
lichen Fische unter dem Schiffskiel verdrängt haben; es ist ein Bild
für sich, ein prozessionsartiger Aufzug von vier schreitenden Män-
nern, die Henkelkörbe oder etwas Ähnliches in den vorgestreckten
Händen tragen. Die beste Analogie scheint mir die bronzene Situla
1 Die Stellen bei Gossen-Steier, RE. II A 505, 64.
2 Meissner, Babylonien und Assyrien I Taf. 206; danach Marinatos,
Ephemeris 1930, 122 Abb. 9 (Ausschnitt). Vgl. auch Schäfer-Andrae, Die
Kunst des Alten Orients (Propyläen-Kunstgesch. II) 523; Köster, Seewesen
Tafelbild 3—17. Auf den Reliefs aus dem Palaste des Sanherib (Ausschnitte
Köster 52 Abb. 7, 8) tummeln sich, übergroß gezeichnet, Seesterne, Taschen-
krebse, Echsen, Wasserschlangen rings um die Fahrzeuge in den Wellen.
3 Der mächtige Taschenkrebs unter dem einen Henkel der Aristonothos-
vase, Pfuhl Abb. 65, verdankt seine Existenz wohl auch nur dem Schiffskampf
auf dem Bildfeld daneben.