Zur Geschichte des Begriffs „Comedie“ in Frankreich.
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sie von den Alltagsdingen der Welt handelt“. Comedie wird also
mit communis in Zusammenhang gebracht. Vom Lachen ist (trotz
Godefroy zu dieser Stelle) wieder nicht die Rede. — Obwohl von
Alltagscharakter, sei die Komödie aber gleichwohl Fiktion, nicht
Wirklichkeitsdarstellung. Der Gedanke ist u. a. schon in der von
Cicero plagiierten Rhetorica ad Herennium ausgesprochen und kehrt
in mehrfachen Varianten immer wieder, so schon im Euanthius-
Donatus: omnia comoedia de fictis est argumentis . . . ,,Im allgemei-
nen dürfte sich der mittelalterliche Stand der Dinge dahin bestim-
men lassen, daß man für die Komödie ausschließlich erfundene
Stoffe gefordert findet1“. Andere Auffassungen sind selten. Die
Vorstellung vom fiktiven Charakter des Komödiengeschehens
aber wurde irgendwie ein wesentliches Element des romanischen
Begriffs2. Die geläufige Redewendung jouer la comedie, „Gefühle
vorgeben, die man nicht hat“ (so die Definition im Dictionnaire
general) beweist es.
Aber zwischen aller dieser Theorie und den wirklichen volks-
sprachlich-dramatischen Schöpfungen des französischen Mittel-
alters ist zunächst keinerlei Zusammenhang sichtbar. Höchstens,
daß der Verfasser der Poetik im Jardin de Plaisance et Fleur de
rhetorique (1501) über einen Abschnitt seiner Lehren die Aufschrift
Pro comediis setzte, obzwar die Vorschriften, die unter dieser Über-
schrift folgen, sich durchaus auf die mittelalterliche Farce be-
ziehen. Übrigens sagt der Verfasser einige Zeilen vorher selbst, daß
er die Farce meint; er will sein 10. Kapitel beginnen:
Expediez sont neuf chapitres
II fault du dixiesme exposer
Et comme Von doit composer
Moralitez, farces, misteres . .3
1 Cloetta, S. 29, Fußnote 2; vgl. ebda. S. 149. —- Daß die Tragödie
wahrhafte (geschichtliche) Stoffe behandle — tragoedia saepe de historica fide
petitur — bildet den natürlichen Gegensatz (oder die Ausgangsstellung?) für
diese Lehre.
2 Sie schließt die Vorstellung von der Wahrscheinlichkeit des Komödien-
geschehens, besser gesagt: einen starken Realismus nicht aus, sondern bedingt
ihn sogar. Siehe R. Bray, La Formation de la Doctrine classique en France,
Paris 1927, S. 334.
3 Le Jardin de Plaisance, Faksimile-Ausgabe, Paris 1910 (Societe des
anciens textes frangais).
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sie von den Alltagsdingen der Welt handelt“. Comedie wird also
mit communis in Zusammenhang gebracht. Vom Lachen ist (trotz
Godefroy zu dieser Stelle) wieder nicht die Rede. — Obwohl von
Alltagscharakter, sei die Komödie aber gleichwohl Fiktion, nicht
Wirklichkeitsdarstellung. Der Gedanke ist u. a. schon in der von
Cicero plagiierten Rhetorica ad Herennium ausgesprochen und kehrt
in mehrfachen Varianten immer wieder, so schon im Euanthius-
Donatus: omnia comoedia de fictis est argumentis . . . ,,Im allgemei-
nen dürfte sich der mittelalterliche Stand der Dinge dahin bestim-
men lassen, daß man für die Komödie ausschließlich erfundene
Stoffe gefordert findet1“. Andere Auffassungen sind selten. Die
Vorstellung vom fiktiven Charakter des Komödiengeschehens
aber wurde irgendwie ein wesentliches Element des romanischen
Begriffs2. Die geläufige Redewendung jouer la comedie, „Gefühle
vorgeben, die man nicht hat“ (so die Definition im Dictionnaire
general) beweist es.
Aber zwischen aller dieser Theorie und den wirklichen volks-
sprachlich-dramatischen Schöpfungen des französischen Mittel-
alters ist zunächst keinerlei Zusammenhang sichtbar. Höchstens,
daß der Verfasser der Poetik im Jardin de Plaisance et Fleur de
rhetorique (1501) über einen Abschnitt seiner Lehren die Aufschrift
Pro comediis setzte, obzwar die Vorschriften, die unter dieser Über-
schrift folgen, sich durchaus auf die mittelalterliche Farce be-
ziehen. Übrigens sagt der Verfasser einige Zeilen vorher selbst, daß
er die Farce meint; er will sein 10. Kapitel beginnen:
Expediez sont neuf chapitres
II fault du dixiesme exposer
Et comme Von doit composer
Moralitez, farces, misteres . .3
1 Cloetta, S. 29, Fußnote 2; vgl. ebda. S. 149. —- Daß die Tragödie
wahrhafte (geschichtliche) Stoffe behandle — tragoedia saepe de historica fide
petitur — bildet den natürlichen Gegensatz (oder die Ausgangsstellung?) für
diese Lehre.
2 Sie schließt die Vorstellung von der Wahrscheinlichkeit des Komödien-
geschehens, besser gesagt: einen starken Realismus nicht aus, sondern bedingt
ihn sogar. Siehe R. Bray, La Formation de la Doctrine classique en France,
Paris 1927, S. 334.
3 Le Jardin de Plaisance, Faksimile-Ausgabe, Paris 1910 (Societe des
anciens textes frangais).