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Winkler, Emil; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 1. Abhandlung): Zur Geschichte des Begriffs "Comédie" in Frankreich — Heidelberg, 1937

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https://doi.org/10.11588/diglit.41993#0017
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Zur Geschichte des Begriffs „Comedie“ in Frankreich.

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Als Bezeichnung für ein bühnenmäßiges Geschehen schlecht-
weg aber hatte sich das Wort Comedie einige Jahrzehnte früher
schon einer neuen Weltschau dargeboten. Auch für wen die Bühnen-
bretter nicht die Welt bedeuten, mag das Weltgeschehen mit-
unter ein Schauspiel sein. So sah Rabelais die Welt. Während
1545/46 im Winter der neuerliche Ausbruch des Krieges zwischen
Kaiser Karl V. und Franz I. von Frankreich drohte, wurde in
Frankreich fieberhaft gerüstet. Da schrieb Rabelais im Prolog
zum 3. Buch seines Romans in patriotischer Begeisterung: Ay im-
pute ä honte plus que mediocre estre veu spectateur ocieux de tant
vaillans, disers et chevalereux personnages, qui en veue et spectacle
de toute VEurope jouent ceste insigne fable et tragique comedie1. —
Fable und comedie sind offenbar gleichbedeutend gemeint im Sinne
von Schauspiel. Für fabula wissen wir es genau. Wenige Jahre später
belegt es noch Scaliger in seiner Poetik : Tragoedia vero et comoedia
genus unum commune, commune unum nomen, fabula2. Ein Lust-
spiel war der Krieg in der Tat auch damals nicht. Rabelais
spricht ausdrücklich von einer tragicque comedie, einem tragischen
Schauspiel. Comedie ist hier einfach Drama.
Neue Anstöße kamen anscheinend erst aus Italien. Noch ein
so vielseitig gebildeter Geist wie Leon Battista Albebti (1407
bis 1472) hatte zwar seine Vorstellungen von der Komödie aus den
Definitionen des Donatus oder Diomedes gewonnen, wie eine
Stelle seines Werkes De arte aedificatoria lehrt, wo er, eine Angabe
des Vitbuv erweiternd, das Wesen der Komödie ganz wie die früher
erwähnten Theoretiker in der Darstellung der curae et sollicitudines
patrumfamilias erblickt3. Aber er erwähnt die Komödie immerhin
im Zusammenhang mit Fragen der Bühnen-Einrichtung. Und
bald wurden in Italien die antiken Autoren, auch Plautus, in ihrer
geschichtlichen Wirklichkeit lebendig. Comoedia wird als drama-
tische Gattung bestimmter lustspielhafter Prägung entdeckt.
Einheimisches und Antikes gingen bald mancherlei Verbindung ein.
Und die (so entstandene) italienische Komödie übertrug ihren Na-
men auf ein werdendes neues Berufsschauspielertum. Der Com-
mediante hält seinen Einzug.in die Weltliteratur.

1 Huguet, a. a. O.
2 Cloetta, S. 7 Fußnote.
3 G. Lanson, Btudes d’histoire litteraire, Paris 1930, S. 49/50.
 
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