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Köhler, Walther; Heidelberger Akademie der Wissenschaften / Philosophisch-Historische Klasse [Hrsg.]
Sitzungsberichte der Heidelberger Akademie der Wissenschaften, Philosophisch-Historische Klasse (1937/38, 3. Abhandlung): Omnis ecclesia Petri propinqua: Versuch einer religionsgeschichtlichen Deutung — Heidelberg, 1938

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https://doi.org/10.11588/diglit.41995#0024
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Walther Köhler:

Fleische“ des Märtyrers in Gemeinschaft zu bleiben, und da man
den ganzen Leichnam nicht bekommt, sammelt man wenigstens die
verkohlten Überreste vom Scheiterhaufen des Märtyrers, und sin
sind mehr wert als „kostbare Steine und würdiger als Gold112“. Sie
werden an geeignetem Orte beigesetzt, und die Gemeinde beschließt,
den Tag des Martyriums als γενέθλιαν zu feiern εις τε τήν των
προηθληκότων μνήμην και των μελλόντων άσκησίν τε και έτοιμασίαν.
Hier ist als die Gemeinde als Kultgemeinde um das Grab eines
Märtyrerheroen versammelt. Zwischen Kleinasien und Rom liefen
damals rege Beziehungen; es kann nicht wundernehmen, wenn die
römische Gemeinde unter Kallist als von ihrem Märtyrer-Heros
Kraft empfangend vorgestellt wird.
Aber die Formel: ad me, id est ad omnem ecclesiam Petri
propinquam ist noch schärfer zu umreißen. Man könnte ja das
Vortreten der Persönlichkeit des Kallist einfach von da aus er-
klären, daß er der Repräsentant der Gemeinde, ihr Capo und im
vorliegenden Falle als Bischof der Akteur ist. Aber warum erwähnt
er dann überhaupt die Gemeinde ? Um sich gegen allzu große
Selbstherrlichkeit zu decken ? Die Verbindung (id est) zwischen
dem. Einen und der Gemeinschaft erklärt sich vielmehr wiederum
aus dem Vorstellungskreis des Heroenkultes. Wir besitzen eine
Fülle sogenannter Votivbilder, auf denen die kultische Verehrung
des Heros dargestellt wird113. Die Verehrer nahen in der Regel mit
gegen den Heros gerichteter Handfläche der erhobenen Rechten.
Ist das Adoration, so ist es sicherlich zugleich der Gestus des Kraft-
empfanges114. Nun beobachtet man, daß nicht selten die Schar
der Verehrenden gestaffelt ist, einer steht an der Spitze und die
übrigen folgen ihm. Handelt es sich um Ahnenkult, so ist dieser
Eine natürlich der pater familias, der als Priester der Familie und
112 Martyr. Polyc. XVIII, 2.
113 Vgl. die Übersicht bei Roscher 2561 if., C. Friederichs - P. Wol-
ters: „Die Gips-Abgüsse antiker Bildwerke“ 1885, Nr. 104311., 1073II. u. ö.
Vor allen Dingen A. Furtwängler: „Die Sammlung Sabouroff“ 188h—87,
woselbst eine ausgezeichnete Darstellung der Entwicklung der Gräber-Plastik
gegeben ist.
114 So mit Recht Preisigice. Auch G. Sittl: „Die Gebärden der Grie-
chen und Römer“, 1890, 292 zieht den Gestus der Adoration in Frage (ebd.
auch Abbildungen). Vgl 319, 320ff. für die Deutung, daß die auf den Votiv-
bildern dargestellte Gottheit mit der ausgestreckten Hand Hilfe verheißt. E&
sei erinnert an den Schluß des Grabgebetes εδ δέ δοίης bei Furtwängler 18.
 
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